Was ist Frugalismus?

Juli Sixel
Juli Sixel
Stand: 30. November 2022
Stell dir vor, du kannst den ganzen Tag machen, was du willst. Finanzielle Freiheit ist für viele Menschen ein attraktives Lebensziel. Eine radikale Methode, das zu erreichen, ist der Frugalismus. Hier heißt es sparen, so viel wie geht.

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Was du wissen solltest
  • Frugalismus ist ein Lifestyle, dessen Anhänger 30-90% ihres Gehaltes sparen.
  • Das Ziel ist finanzielle Freiheit. Hier heißt das möglichst früh, gerne schon mit 40, in den Ruhestand zu gehen.
  • Wer nicht sparen kann, sollte seine Einnahmen erhöhen.
  • Ersparnisse werden angelegt, um das Kapital zu maximieren.
  • Der Alltag der Frugalisten ist relativ minimalistisch und von wenig Konsum geprägt.

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So gehst du vor
  • Verschaffe dir als Erstes einen Überblick über deine Finanzen.
  • Überlege dir, wie viel Geld du in deiner finanziellen Freiheit monatlich zur Verfügung haben willst.
  • Rechne aus, wie viel du monatlich zurücklegen musst.
  • Spare so viel wie möglich, um das Ziel der finanziellen Freiheit früher zu erreichen oder später mehr Ersparnisse als geplant zu haben.
  • Dabei kann dir unser Finanzielle-Freiheit-Rechner helfen.
  • Informiere dich, wie du ein Geld am geschicktesten anlegst.

Was ist Frugalismus?

Frugalismus ist ein Lifestyle, der ein ganz bestimmtes Ziel hat: finanzielle Freiheit. Finanziell frei zu sein, bedeutet für die meisten Frugalisten, allein von ihren Ersparnissen leben zu können. Und das am besten so früh wie möglich. Frugalisten streben es an, oft mit 40 schon in den Ruhestand zu gehen. Ab diesem Zeitpunkt möchten sie keine Lohnarbeit mehr ausüben, um so ihr Leben in vollen Zügen zu genießen. Dann lautet der Tagesplan: Freunde sehen, Hobbys nachgehen, Reisen und Zeit mit der Familie verbringen.

Für den Austritt aus dem Arbeitsleben sparen Frugalisten einen Großteil ihres Einkommens. In extremen Fällen sogar bis zu 80%. Während der Sparphase leben sie einen sehr minimalistischen Lebensstil. Oft geben Frugalisten nicht mehr als 900€ im Monat aus – trotz eines überdurchschnittlichen Einkommens. Je nach Anzahl der Familienmitglieder etc. kann diese Summe natürlich variieren.

Die Frugalisten sind in ihrer Lebensphilosophie und Sparstrategie nah verwandt mit der FIRE-Bewegung. Das Motto dieser Menschen lautet „financial independence, retire early“, ihr Ziel ist also finanzielle Unabhängigkeit, um möglichst früh in den Ruhestand zu gehen.

Woher kommt der Begriff?

Das Wort Frugalismus stammt vom lateinischen „frugalis“ ab und bedeutet so viel wie „sparsam“. Entwickelt hat sich die Frugalismus-Szene vorwiegend durch die Weltwirtschaftskrise von 2008. Viele Menschen verloren damals ihr Haus oder einen Teil ihrer Ersparnisse. Sie mussten lernen, streng zu haushalten und sich genau überlegen, wie viel Geld sie wofür ausgaben. Anstatt weiterzumachen wie bisher, entschieden sich einige Menschen, dass sie ihr Leben nicht weiter im „Hamsterrad Arbeit“ verbringen wollten. Ihre Lösung: Einen Großteil des Einkommens sparen, um möglichst früh aus der Arbeitswelt auszusteigen. Seit 2011 gibt es auch in Deutschland immer mehr Extremsparer.

Was sind die Ziele?

Frugalisten möchten so wenig Lebenszeit wie möglich gegen Lohnarbeit tauschen. Dafür sparen sie einen Hauptteil ihres Geldes und nehmen ein bescheidenes Leben in Kauf. Ihr Ziel ist nicht, später besonders hohe Ersparnisse zu haben und einen glamourösen Lebensabend zu verbringen. Der nächsten Generation soll auch keine besonders üppige Erbschaft hinterlassen werden. Stattdessen wollen Frugalisten unabhängig von Arbeitszeiten und Ansprüchen vom Arbeitgeber leben. Sie wollen ihren Alltag mit dem verbringen, was ihnen wirklich Spaß macht. Viele Frugalisten haben die Vision, mit 40 in Rente zu gehen. 

Wie hoch sollte die Sparrate sein?

Der Durchschnitts-Deutsche spart etwa 15% seines Einkommens. Wenn man sich den Median, also den mittleren Einkommenswert anschaut, sieht das anders aus: etwa 150€ konnten 2018 monatlich zur Seite gelegt werden, bis zur Armutsgrenze von 65% des Medians verschulden sich Menschen eher, anstatt zu sparen. Frugalisten legen die Messlatte da deutlich höher: Mindestens 30%, manchmal sogar bis zu 80% oder 90% des Einkommens wird beiseitegelegt. 

So viel musst du sparen

Standard-Sparquoten hin oder her: Letztlich musst du deine persönliche Sparrate finden. Diese ist abhängig von deiner Lebenssituation und deinen Zielen. Diese 3 Fragen kannst du dir stellen, um deine Sparquote herauszufinden. 

  1. Wie viel Geld verdienst du?
  2. Wie viel Geld möchtest du später zur Verfügung haben?
  3. Wie lange willst du noch arbeiten?

Unser Finanzielle-Freiheit-Rechner sagt dir, wie viel Geld du monatlich sparen musst, um später eine bestimmte Summe zu erhalten. Eine gängige Summe, die monatlich zur Verfügung stehen soll, sind 2.000€. Das sind 24.000€ im Jahr oder 600.000€ Gesamtkapital. Die Summe ergibt sich, wenn du 25 Jahre lang 2000€ monatlich zurücklegst. 

Frugalisten Beispiele

In der Finanzfluss-Community gibt es ein paar echte Sparfüchse. Wir haben einige Budgets davon mal genauer unter die Lupe genommen und stellen euch hier 2 Sparer vor, die ziemlich frugalistisch unterwegs sind. Mit dem Finanz-Flussdiagramm-Tool kannst du auch dein Budget visualisieren.

Paar ohne Kinder mit 75% Sparquote

Kinderloses Paar mit 75% Sparquote
Kinderloses Paar mit 75% Sparquote

Das Paar ist diesem Beispiel ist 28 (P) und 24 (M) Jahre alt. Die beiden arbeiten in der Krankenpflege. Sie ist Auszubildende, er ist bei einem privaten Pflegedienst angestellt und hat zusätzlich einen Nebenjob, ebenfalls in der Pflege. Gemeinsam haben die beiden ein Nettoeinkommen von gut 4.300€. Das Paar hat zum einen seine Fixkosten minimiert. Dazu gehört auch die Miete. Die beiden teilen sich ein 10m² Zimmer in einem Wohnheim. Für monatliche Ausgaben haben sie sich Budgets gesetzt, zum Beispiel 300€ für Essen oder 100€ Shopping-Geld für M. Ein Teil ihres Einkommens widmen die beiden auch ihren Mitmenschen. Sie unterstützen ein Patenkind und M’s Familie in Afrika und geben auch ihren Freunden gerne mal was aus.

Von ihrem Einkommen können die beiden monatlich 3.200€ sparen. Das sind knapp 75% – eine ordentliche Menge also. Zu Beginn investierten die beiden ihr Geld in ETFs, Aktien und etwas in Bitcoin und P2P-Kredite. Aktuell baut P sich seine Selbstständigkeit auf und die Ersparnisse fließen in seinen Unternehmensaufbau. Sobald es damit läuft, will er weiter in ETFs investieren. P strebt an, mit 40 Jahren finanziell frei zu sein. Spätestens dann, gerne auch früher, möchte er nicht weiter Lohnarbeit in der Pflege ausführen. Er geht davon aus, dass er dieses Ziel mit seiner Sparquote auch erreichen wird.

Single mit 70% Sparquote

27-jähriger Privatbanker aus der Schweiz
27-jähriger Privatbanker aus der Schweiz

Unser nächster Vielsparer ist ein 27-Jähriger aus der Schweiz. Er lebt allein und ist kinderlos. Sein monatliches Einkommen, bestehend aus seinem Gehalt, einer Vermietung und Dividendenausschüttungen, beträgt 5.430€. Sein größter Hauptausgabenpunkt ist die Miete, 680€ bezahlt er fürs Wohnen. Mit Lebensmitteln, Auto, Lifestyle-Ausgaben und Fixkosten erben sich so monatliche Ausgaben in Höhe von 1.607,5€.

Knapp 70% seines Einkommens spart der Banker. Die gesamte Summe investiert er in Einzelaktien. Dabei kann er auf eine Wertsteigerung der Aktien setzen und mit Dividenden einen regelmäßigen Cashflow generieren. Sicherer ist es, breit diversifiziert in einen ETF, wie einen MSCI-World, zu investieren.

Kann das jeder?

Kritiker behaupten, Frugalismus sei nur etwas für Gutverdiener. Nicht jeder kann 50% oder noch mehr seines Einkommens sparen. Das stimmt natürlich, für Familien oder Alleinerziehende mit Kindern und Menschen in unteren Einkommensklassen ist es viel schwieriger überhaupt irgendwas zurückzulegen. Menschen mit niedrigem Einkommen verschulden sich eher und sind nicht in der Lage zu sparen. Die Sparquote der Menschen, die auf Median-Höhe verdienen, liegt bei 150€. Damit lässt sich kein unabhängiges Leben finanzieren.

Die Lösung des Frugalismus lautet: Wer nicht sparen kann, muss sein Einkommen erhöhen. Das ist logisch und die einzige Möglichkeit, die eigene finanzielle Situation zu verbessern. Allerdings ist das für Menschen mit niedrigen Gehältern leichter gesagt als getan. Deshalb ist Frugalismus zwar prinzipiell für alle möglich, in der Praxis ist eine frugalistische Lebensweise aber für einen großen Teil der Bevölkerung realitätsfern.

Geld muss angelegt werden

Ein fundamentaler Bestandteil des frugalistischen Geldumgangs ist, das Ersparte anzulegen. So kannst du vom Zinseszins-Effekt profitieren. Dein Geld vermehrt sich gewissermaßen von allein und dein Vermögen steigt. Am besten eignet sich ein ETF-Portfolio, das die ganze Welt abbildet. Hier kannst du ohne viel Arbeit, mit niedrigem Risiko breit diversifiziert investieren. Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du genügend Kapital angelegt hast und dich entscheidest, in den Ruhestand zu gehen. Dann kannst du deine Anlagen in einen ausschüttenden ETF umschichten. Die daraus erzielten Rendite ersetzen dein Einkommen, welches du vorher durch Lohnarbeit erwirtschaftet hast. Beachte, dass bei der Entnahme auch Kapitalertragsteuer und Soli, gegebenenfalls auch Kirchensteuer, anfallen. 

Die 4-Prozent-Regel

Einige Frugalisten sparen nach der 4-Prozent-Regel. Die 4-Prozent-Regel besagt, dass du deine jährlichen Ausgaben x25 sparen musst. Anschließend kannst du von diesem Kapital jährlich 4% abziehen, also genau so viel wie du jährlich benötigst. Damit diese Rechnung aufgeht, musst du dein Kapital so anlegen, dass es jährlich mindestens 4% Rendite abwirft. 

Auch wenn die 4-Prozent-Regel unter Frugalisten sehr beliebt ist – die beste Strategie ist sie nicht. Ursprünglich basiert die Regel auf der Trinity-Studie. Wissenschaftler haben sich dabei den S&P 500 Index angeschaut und sind zu folgendem Ergebnis gekommen: Wer 25 Jahre seine jährlich benötigte Geldmenge nach diesem Index anlegt, kann anschließend 30 Jahre davon Geld entnehmen, ohne pleitezugehen. Also nichts mit endlosem passivem Einkommen, wie es sich Teile der Frugalismus-Bewegung erhoffen. Zudem haben die Wissenschaftler in ihrer Studie historische Daten von 1926 bis 1997 verwendet. Wie sich der Aktienmarkt in Zukunft entwickeln wird, kann niemand berechnen, somit gibt es auch keine garantierten Rendite.

Erster Schritt: Überblick über Ausgaben verschaffen

Um deine Finanzen in den Griff zu bekommen, musst du dir als Erstes einen Überblick über den Status quo verschaffen. Sobald du weißt, wie viel du wofür ausgibst, kannst du überlegen, an welchen Ecken du sparen kannst und willst. Mit einem Haushaltsbuch oder einer App kannst du deine Ausgaben tracken und in Kategorien einteilen. Anschließend weißt du, wie viel du monatlich etwa für Lebensmittel ausgibst. Ein 2-Konten-Modell kann dir dabei helfen, deine Ausgaben in den Griff zu bekommen.

Frugalismus-Tipps

Von Lebensmitteln über Mobilität bis zum Wohnen. An den vielen Ecken kann man Geld einsparen. Wir haben einmal die 100 besten Spartipps für euch gesammelt. Nicht vergessen: Kleinvieh macht auch Mist. Über das Sparen hinaus geht es beim frugalistischen Lebensstil auch darum, „back to the roots“ zu kommen. Frugalisten besinnen sich auf das, was man wirklich benötigt und schätzen die Dinge, die sie haben, mehr wert. Hier sind die wichtigsten Frugalismus-Tipps:

  • Ausgaben tracken (mit Haushaltsbuch oder App)

  • Gebraucht kaufen

  • Reparieren

  • Auto abschaffen

  • Selbst kochen, Essen im Voraus planen

  • Nicht impulsiv kaufen, sondern erst nach 1–2 Wochen

  • Prioritäten setzen, überlege dir, wofür du Geld ausgeben willst

  • Ersparnisse investieren

Ist das was für dich?

Genug zu sparen, dass ein frugaler Lebensstil möglich ist, bedeutet für die meisten Menschen eine Lebensumstellung. Das Lebensziel finanzielle Freiheit ist für viele Menschen aber sehr begehrenswert. Um herauszufinden, ob Frugalismus etwas für dich ist, kannst du dir ein paar Fragen stellen:

  • Bin ich glücklich damit, einen Großteil meiner Zeit mit Arbeit zu verbringen?

  • Kann ich mir einen minimalistischen Lebensstil vorstellen?

  • Bin ich bereit, jetzt zu verzichten, um später ein finanziell unabhängiges Leben zu führen?

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Depot-Vergleich
Wenn du nun auch einen Teil deines Einkommens investieren möchtest, brauchst du dafür im ersten Schritt ein Depot. Welches dabei am besten für dich geeignet ist, kannst du in unserem Depot-Vergleich herausfinden.

Häufig gestellte Fragen

Wie viel Geld ist beim Frugalismus notwendig?

Wie lege ich das gesparte Geld frugalistisch an?

Wie viel Geld benötigt man?