ELTIF – Anlegen wie die oberen Zehntausend?
Für die Superreichen dieser Welt ist es längst normal, abseits des Börsenparketts zu investieren. Nun sollen auch weniger begüterte Kleinanleger in diese Welt vordringen und direkt in die Realwirtschaft investieren können, ohne sich im grauen Kapitalmarkt zu verirren. Genauer: in sogenannte „European Long Term Investment Funds“, kurz ELTIFs. Die „geschlossenen Privatmarktfonds“, wie Investment-Gigant Blackrock sie nennt, werden aktiv gemanagt und investieren das Geld der Investoren beispielsweise in Straßen und Windparks, in Solaranlagen, Bürogebäude oder in Form von Private-Equity, das heißt: als direkte Beteiligung an Unternehmen. Auch Private-Debt-Investments sind über ELTIFs möglich. Der Fonds kann das Kapital also zum Teil in Form von Krediten an Unternehmen verleihen. ELTIFs öffnen Privatanlegern das Tor zu illiquiden Vermögenswerten, welche bislang vor allem institutionellen Investoren vorbehalten waren. Sie sind eine Eintrittskarte in die Welt der Profi-Investoren. Doch die Frage ist, ob Kleinanleger sie einlösen sollten.
Private Equity für den Anleger von nebenan
Eine Neuheit sind ELTIFs nicht. Die EU führte sie bereits 2015 ein, um künftig auch Privatanlegern das Investieren in die europäische Realwirtschaft zu ermöglichen. Dabei schuf Brüssel einen verbindlichen Rechtsrahmen, der die ELTIFs zu regulierten Finanzprodukten machte. Zum Beispiel begrenzte der Gesetzgeber den Einsatz von Fremdkapital, um die Risiken für Anleger zu reduzieren, außerdem sollten Mindestanforderungen zur Diversifikation Totalausfälle unwahrscheinlicher machen. Kurzum: ELTIFs sollten die Chancen des Privatmarkts mit den Sicherheitseigenschaften EU-regulierter Fonds verbinden – und sich damit zum Beispiel von den geschlossenen Fonds der 2000er absetzen, von denen viele mit dem Strudel der Finanzkrise untergingen.
Doch de facto blieben die ELTIFs ein Produkt für die oberen Zehntausend: Wer investieren wollte, musste dem Fondsmanager mindestens 10.000€ überlassen. Zugleich durfte das investierte Kapital nicht mehr als 10% des Gesamtvermögens ausmachen. 100.000€ mussten also mindestens auf dem Konto liegen, wollte man sich an einem ELTIF beteiligen.
Elitäre ELTIFs? Das war einmal
Zum 10. Januar nun wurden diese Barrieren eingerissen. Mit der ELTIF 2.0-Verordnung reformierte die EU den Rechtsrahmen. Weder ein Mindestvermögen noch eine Mindestinvestition sind jetzt noch nötig, um Anteile an den Fonds zu kaufen. Die Anpassung soll auch Vermögensverwaltern die Arbeit erleichtern. Wer einen ELTIF auflegen will, darf nun zum Beispiel auch kleine und mittelständische Unternehmen sowie einige liquide Vermögenswerte beimischen. Auch Dachfonds-Strukturen sind ab sofort erlaubt, das heißt: Ein ELTIF darf in mehrere Zielfonds investieren, bei denen es sich nicht zwingend um Private-Equity-Fonds handeln muss. Eine Mindest-Diversifikation, wie sie schon für die ELTIFs 1.0 galt, soll weiterhin Bedingung bleiben: So dürfen etwa „maximal 20 Prozent pro Zielfonds investiert werden“, schreibt das Research-Unternehmen Scope auf seiner Website. „Damit muss ein Dachfonds-ELTIF mindestens fünf Zielfonds enthalten.“
Bringen ELTIFs mehr Rendite?
Trotz der neuen Erleichterungen bleiben ELTIFs illiquide Produkte. Obgleich einzelne Anbieter andeuteten, ihre ELTIFs flexibler zu gestalten und gegebenenfalls die vorzeitige Rückgabe der Anteile unter bestimmten Bedingungen zu erlauben: Im Normalfalls lassen sich ELTIFs nicht ohne Weiteres wieder abstoßen wie eine Aktie an der Börse. Je nach Produkt und Anbieter müssen Anleger in der Regel mindestens ein paar Jahre durchhalten, bevor das Geld herausgezogen werden darf. Für einige Brancheninsider liegt genau darin der Vorteil. „Das ist genau der Mehrwert“, sagte Jamal El Mallouki, Mitgründer des Softwareunternehmens Portagon, das den Handel mit Private Equity erleichtern will, gegenüber der FAZ. „Ich gebe jemandem Geld, mit dem er einige Jahre arbeiten kann.“ Für den Verzicht auf diese Liquidität würde man schließlich entlohnt. Von Renditen im „hohen einstelligen oder auch im zweistelligen Bereich“ spricht etwa Scope. Vermögensverwalter Blackrock meint, Anlagen in ELTIFs könnten „zu einer höheren Gesamtrendite beitragen“.
Doch woher kommt der Optimismus? Experten verweisen gern auf die überdurchschnittliche Performance des Private-Equity-Markts, teilweise ist von „den besseren Aktien“ die Rede. „Langfristige Investments machen sich unabhängiger von Zyklen, sind dadurch weniger riskant, aber eben auch renditestark“, heißt es auf der Website von Commerz Real, einem Asset Manager der Commerzbank Gruppe. Schon 2020 brachte dieser den ELTIF klimaVest auf den Markt, einen „sachwertorientierte Impact Fonds“. „ELTIFs ermöglichen stabile Erträge und können langfristig attraktive Renditen erzielen“, argumentiert Geschäftsführer Holz in einem Artikel auf der Website. Ein paar Passagen weiter klingt es etwas vorsichtiger: „Die Höhe der Rendite hängt vom Fonds, seiner Strategie, der Struktur, der Wertentwicklung und den Laufzeiten ab.“ Auch der Totalverlust sei theoretisch möglich, wenn auch „unwahrscheinlich“: „Etwa, wenn alle Assets, die der Fonds hält, sich schlecht entwickeln, weil zum Beispiel die Weltwirtschaft einbricht oder völlig unvorhergesehene Gesetze verabschiedet werden.“
Sind ELTIFs die neuen ETFs?
Wenn Finanzprodukte die VIP-Loge verlassen und plötzlich auch dem Anleger von nebenan offen stehen, ist das erst mal erfreulich. Und es weckt Hoffnungen auf hohe Renditen, denn: Was die Profis kaufen, muss gut sein. Oder?
Fakt ist: ELTIFs bleiben auch mit der neuesten Verordnung ziemlich unflexible Gebilde. Das eigene Kapital ist in der Regel über Jahre gebunden. Und ob es sich vermehrt, hängt zum großen Teil an der Leistung des Fondsmanagers – und er das Glück auf seiner Seite hat. Denn letztlich gilt auch außerhalb der Börse: Wie rentabel ein Windpark oder ein Unternehmen in der Zukunft wirklich sein werden, wird selbst der versierteste Fondsmanager nicht absehen können. Abgesehen davon sind ELTIFs ungleich riskanter als breit gefächerte ETFs, die zum Teil mehrere Tausend Aktiengesellschaften umfassen.
Man darf also bezweifeln, dass ELTIFs „die neuen ETFs“ werden, wie es einige Überschriften der vergangenen Wochen nahelegten. Möglich, dass ELTIFs in den kommenden Jahren an Beliebtheit und Marktanteil gewinnen werden. Doch mit Indexfonds, die täglich, sekundenschnell und beinahe kostenlos gehandelt werden können, haben die Vehikel auch weiterhin wenig gemeinsam.
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