Wenn der ETF von der Bildfläche verschwindet
Dass ein Fonds unerwartet aufgelöst wird, kann theoretisch jederzeit passieren und ist für die Fondsanbieter ein ganz natürliches Prozedere. In vielen Fällen verändert sich für die Investorinnen dadurch nichts - teilweise kann die finanzielle Belastung aber umso heftiger ausfallen. Die meisten Anleger fürchten sich jedoch vor einem Szenario, das weit unwahrscheinlicher ist: vor der Pleite eines Emittenten. Wann Anlegerinnen wirklich mit Verlusten rechnen müssen und wie sie sich von vornherein absichern können.
Eine Fondsauflösung kann theoretisch jeden treffen
Um die Finanzkrise 2008 herum gehörte es fast schon zum Alltag, dass Investmentfonds geschlossen werden. Zwar betraf das neben offenen Immobilienfonds in erster Linie hochspekulative geschlossene Fonds, die beispielsweise in Transportschiffe investiert und dabei insgesamt mehrere Milliarden an privatem Kapital versenkt hatten.
Doch ist die Gefahr einer Fondsschließung auch heute noch relevant - und zwar nicht nur für aktive, sondern auch für passive ETF-Anleger. Rein theoretisch kann es immer passieren, dass ein ETF oder Publikumsfonds geschlossen wird. Doch ist das Risiko nicht bei jedem Produkt gleich hoch.
Warum wird ein Fonds geschlossen?
Dass ein Fondsanbieter beschließt, einen ETF oder einen Fonds aus dem Markt zu nehmen, kommt ständig vor und hat vor allem einen Grund: die Wirtschaftlichkeit.
Das Produkt rentiert sich nicht
Etwa einmal im Jahr prüft eine Fondsgesellschaft ihre Produkte auf ihre Wirtschaftlichkeit. Das heißt, sie prüft, ob der Fonds oder ETF nach einer gewissen Karenzzeit von beispielsweise drei Jahren genügend Geld einsammelt, um nach Abzug von Management- und Verwaltungskosten profitabel zu sein. Das ist ein ganz normales Prozedere, das nichts mit einer Krise zu tun haben muss. Sollte das nicht der Fall sein, lohnt es sich schlichtweg für den Emittenten nicht, das Produkt noch weiter zu betreiben. Eine Ausnahme machen Fondsanbieter meist, wenn es sich bei dem “Verlustbringer” um einen Teil einer ganzen Fonds- oder ETF-Serie handelt, die mit Auflösung des Produkts durchbrochen wäre.
Regulatorische Neuerungen
Ferner kommt es vor, dass neue Gesetze oder Auflagen einen Fondsanbieter dazu zwingen, die eigene Produktpalette aufzuräumen. Beispielsweise könnte die Bafin als Aufsichtsbehörde einem Emittenten verbieten, weiterhin Produkte im Rohstoffbereich zu führen. Möglich ist auch, dass die Region, in die der Fonds investiert hat, plötzlich nicht mehr investierbar ist, weil von staatlicher Seite der Kapitalverkehr beschränkt wurde oder die Währung nicht mehr umtauschbar ist. In seltenen Fällen kann es also passieren, dass ein Fonds aufgelöst wird, obwohl er seinem Herausgeber Gewinne eingebracht hat.
Wie läuft eine Liquidation ab?
In der Regel läuft so eine Liquidation immer gleich ab: Die Anleger werden etwa einen Monat vor der Auflösung schriftlich darüber informiert. Es wird ein Stichtag festgelegt, zu dem die Anteile spätestens an die Fondsgesellschaft zurückgegeben werden können. Meist direkt nach Ablauf der Frist wird der Fonds bzw. ETF vom Handel an der Börse ausgeschlossen, es können nun weder neue Anteile gekauft noch bestehende zurückgegeben werden. Als Nächstes wird das Fondsvermögen liquidiert, das heißt, alle Vermögenswerte verkauft und anschließend an die Anteilseigner ausgeschüttet wird. Wer möchte, kann sein Geld nun also wieder neu anlegen.
2019: Drei Xtrackers-ETFs verschwinden
So geschehen beispielsweise im Herbst 2019, als viele Anleger Post von der DWS bekamen. In ihrem Schreiben kündigte der Vermögensverwalter an, drei Fonds aus dem Hause Xtrackers aus dem Markt zu nehmen: Einen Dividenden-ETF (Xtrackers Morningstar Global Quality Dividend UCITS ETF), einen Anleihen-ETF (Xtrackers Eurozone Government Bond Quality Weighted UCITS ETF) und einen Indexfonds auf den MSCI World. Weniger als drei Wochen hatten Anleger von da an Zeit, ihre Anteile bis zum “Termination Date” (Tag der Auflösung) zu verkaufen. Verzichteten sie darauf, übernahm die Fondsgesellschaft das für sie. Als Erklärung für die kommende Liquidation gab die DWS damals eine “konstant niedrige Nachfrage” an. Die Fondsgrößen seien unter der Mindestfondsgröße geblieben, weswegen es unmöglich sei, sie “wirtschaftlich effizient” zu betreiben.
2021: Vanguard räumt sein Portfolio auf
Vor ziemlich genau einem Jahr kündigte wiederum der Vermögensverwalter Vanguard an, vier Faktor-ETFs aufzulösen. Das Prozedere für die betroffenen Anleger war das gleiche wie bei den Xtrackers-Produkten: Wer wollte, konnte die Anteile bis zu einem festen Stichtag handeln, also verkaufen. Sollten die Anteile bis dahin nicht selbstständig zurückgegeben worden sein, wurden sie von Vanguard liquidiert und anschließend an die Anteilseigner ausgeschüttet. Wer Freigrenzen überschritten hatte, musste die Gewinne versteuern lassen.
Bei Liquidation fallen - meist - Steuern an
Für die Anleger bedeutet eine Auflösung nicht unbedingt Mehraufwand, dafür aber gegebenenfalls einen finanziellen Nachteil. Schließlich können sie nicht selbst entscheiden, zu welchem Kurs sie ihr Geld gern abziehen würden. Wer Pech hat, gibt seine Anteile mit Verlust zurück. Noch dazu sind mit einer Liquidation prinzipiell alle Anleger gezwungen, Gewinne versteuern zu lassen. Zumindest, sofern sie damit die geltenden Freibeträge überschritten haben (bei Kapitalerträgen gilt ein Freibetrag von 801€ pro Jahr). Eine Liquidation gilt schließlich als Verkauf. Finanziell bedeutet das einen Nachteil: Zwar müssen die Gewinne aus einem Fonds auch nach 20 oder 30 Jahren versteuert werden, wenn die Anteile freiwillig verkauft werden. Schon nach kurzer Haltedauer Gewinne zu versteuern, bedeutet jedoch, dass zukünftig weniger Geld investiert sein wird. Es ist durch die ungeplante Steuerzahlung also weniger Geld im Depot, das für den Anleger Gewinne erwirtschaften kann.
Ein Beispiel: Du hast vor 15 Jahren 30.000€ in einen ETF investiert, der dir durchschnittlich pro Jahr eine Rendite von 5% eingebracht hat. Aus den 30.000€ sind inzwischen 63.400€ geworden. Und jetzt bekommst du die Nachricht, dass eben dieser ETF aufgelöst werden soll. Ein paar Wochen später sind all deine Anteile verkauft und du hast dir 63.400€ auf einmal ausschütten lassen. Die erzielten Gewinne musst du nun Ende des Jahres zu einem Steuersatz von 26,375% versteuern lassen (Kapitalertragsteuer + Soli), was de facto bedeutet, dass du knapp 11.500€ deiner Gewinne wieder abgibst. Die Teilfreistellungsquote, wie sie für Aktien-ETFs und -Fonds gilt, ist hier schon eingerechnet.
Übrigens: Wer seine Fondsanteile vor 2009 gekauft hat, muss überhaupt keine Steuern zahlen, denn dann ist er im Besitz sogenannter Altbestände, die steuerfrei veräußert werden können. Das ist für den Moment ein Vorteil im Vergleich zu jenen Investorinnen, die nach 2009 eingestiegen. Mit der Liquidation endet dann allerdings auch das Privileg auf steuerfreie Gewinne, weil die Altbestände damit verkauft sind.
Wie kann man eine Fondsauflösung von vornherein vermeiden?
Es gibt ein einfaches Mittel, wie Anleger von vornherein verhindern können, dass ihr Fonds oder ETF einmal aufgelöst wird: Sie investieren direkt in ein Produkt, das viel zu beliebt ist, als dass es je aufgelöst wird. Natürlich gibt es dafür keine 100-prozentige Sicherheit. Jedoch wird beispielsweise die Fondsgesellschaft Blackrock in den kommenden Jahrzehnten nicht im Traum daran denken, ihren iShares-ETF auf den MSCI World aufzulösen, eines der meist gehandelten Produkte überhaupt. Bei einem nischigen Sektor-Fonds auf Cyber-Sercurity-Firmen, der weit weniger gehandelt wird, sieht die Sache schon anders aus. An zwei Kriterien kannst du dich daher als Anleger orientieren:
Je größer, desto besser: Das Fondsvolumen
Mindestens 50 Millionen, aber besser 100 Mio. Euro sollte das Fondsvolumen betragen, damit du sicher gehen kannst, dass sich der ETF für seinen Emittenten rentiert. Denn je höher das Fondsvolumen ist, desto geringer wiegen die Fixkosten für den ETF-Anbieter. Der angenehme Nebeneffekt für dich als Anleger ist, dass in der Regel auch die laufenden Kosten und der Spread geringer ausfallen.
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Lange genug am Markt: Das Fondsalter
Mindestens fünf Jahre sollte der Fonds außerdem bereits am Markt sein. Je älter ein Fonds oder ETF ist, desto etablierter ist er am Markt, entsprechend höher sind meist auch das Fondsvolumen und das Handelsvolumen. Ist ein ETF bereits seit 15 oder 20 Jahren am Markt, spricht dass dafür, dass sich das Produkt bereits bewährt hat und dem Emittenten genügend Einnahmen in die Kassen spült.
Alternative zur Auflösung: Die Verschmelzung
Durchaus von Vorteil für den Anleger kann es sein, wenn eine Fondsgesellschaft einen ETF oder Publikumsfonds nicht komplett auflöst, sondern stattdessen mit einem anderen Produkt zusammenführt, dem zumeist eine ähnliche Anlagestrategie zugrunde liegt, das in die gleiche Region oder die gleiche Branche investiert. Man spricht dabei auch von einer “Fondsfusion”: der aufnehmende Fonds übernimmt alle Vermögensgegenstände des aufzulösenden Fonds, wobei die alten Anteile automatisch in neue Anteile umgetauscht werden.
Auch im Falle einer Verschmelzung zweier Fonds werden die Investorinnen und Investoren mehrere Wochen im Voraus darüber in Kenntnis gesetzt und bekommen eine Frist vorgegeben, in der sie die Möglichkeit haben, ihre Anteile zu verkaufen. Lassen sie diese Frist verstreichen, werden ihre Anteile automatisch aus dem alten ETF entnommen und in das neue Produkt transferiert. Diese Aufgabe übernimmt die zuständige Depotbank, die dafür schätzungsweise zehn bis 14 Tage benötigt. Weil die umzutauschenden Anteile selten genau gleich viel wert sind, wird ein Umtauschverhältnis berechnet. Gegebenenfalls entstandene Bruchstücke werden im Nachhinein vom Broker verkauft.
Manchmal zählt die Fusion als Verkauf
Weil bei einer Fusion kein Verkauf stattfindet, müssen auch keine Steuern gezahlt werden. Eigentlich. Denn werden zwei Fonds mit unterschiedlichen Fondsdomizilen zusammengeführt und wechselt zum Beispiel der Fonds von Luxemburg nach Irland, findet aus steuerlicher Sicht doch ein Verkauf statt und es müssen Steuern gezahlt werden. Im Finanzjargon nennt sich das “Cross-Border-Fusion”.
Meist erleiden Anleger jedoch keinen Nachteil, wenn ihr Fonds oder ETF mit einem anderen fusioniert wird, sondern müssen sich höchstens an einen neuen Namen gewöhnen. Ganz prinzipiell kann man sagen, dass eine Zusammenlegung eigentlich immer von Vorteil ist, denn dadurch wächst automatisch das Fondsvolumen, wodurch der ETF oder Fonds wiederum an Wirtschaftlichkeit gewinnt.
Was tun, wenn der Fondsanbieter pleite geht?
Sucht man im Internet ganz plump nach den Worten “Fondsanbieter pleite”, fällt schnell etwas auf: Es existieren unzählige Artikel und Forenbeiträge zu der Frage, was so ein Konkurs für die Anleger bedeuten würde. Tatsächlich eingetreten ist dieser Fall aber noch nicht. Zumindest nicht außerhalb von grauem Kapitalmarkt oder windigen Anbietern, die hochriskante geschlossene Fonds auf den Markt gebracht haben.
Dass einmal die Fondgesellschaften Blackrock (iShares), DWS (Xtrackers), Lyxor oder Vanguard pleite gehen, ist mehr als unwahrscheinlich. Dafür gibt es europaweit viel zu strenge Gesetze und Kontrollen.
Pleite ist so gut wie unmöglich
Wie ein Fondsanbieter wirtschaftet, wird streng überwacht. Einerseits von der zuständigen Depotbank, andererseits von Wirtschaftsprüfern und letzten Endes auch von der nationalen Aufsichtsbehörde: In Deutschland ist das die Bafin. So wird ständig kontrolliert, wie robust eine Fondsgesellschaft ist und sichergestellt, dass das Unternehmen nicht droht, in Zahlungsschwierigkeiten zu geraten.
Hinzu kommt, dass zum Beispiel jeder europäische Fondsanbieter strengen Sicherheitsvorschriften unterliegt, was die Auflage eines Fonds betrifft, den sogenannten OGAW-Richtlinien (englisch UCITS: Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities; zu deutsch: Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren). Diese schreiben unter anderem eine Mindest-Diversifikation vor, außerdem muss der Fonds eine Mindest-Liquiditätsquote erfüllen. Die UCITS-Regulatorik sieht außerdem vor, dass die Fondsgesellschaft regelmäßig Halbjahres- und Jahresberichte zu ihren Geschäftszahlen veröffentlichen. Dass die Vorschriften eingehalten werden, wird von der nationalen Aufsichtsbehörde, in Deutschland von der Bafin geprüft.
Das UCITS-Regelwerk ist auch der Grund dafür, dass eine Fonds-Pleite - wenn sie denn eintreten würde - dir als Anleger ziemlich egal sein könnte. Denn UCITS-Fonds tragen stets den Status Sondervermögen.
Du bekommst in jedem Fall dein Geld zurück
Geld, das in UCITS-regulierte ETFs oder Publikumsfonds investiert wurde, zählt als Sondervermögen. Das bedeutet, dass es getrennt vom Vermögen der Fondsgesellschaft verwahrt wird. Sollte das Fondshaus tatsächlich in ein Insolvenzverfahren schlittern, könnte sich die Kapitalanlagegesellschaft also nicht am Anlagevermögen der Anteilseigner bedienen, um die Gläubiger auszuzahlen. Die Fondsgesellschaft agiert also lediglich als verwaltender Treuhänder des Geldes. Und geht dieser Treuhänder pleite, bekommst du dein Geld in jedem Fall zurück.
Bei Schuldverschreibungen, also beispielsweise bei Zertifikaten und damit auch bei ETCs ist das nicht der Fall. Ebenso wenig gelten Einlagen in geschlossenen Fonds als Sondervermögen, das Kapital ist im Insolvenzfall also völlig ungeschützt vor dem Zugriff.
Was passiert genau im Insolvenzfall?
Sollte der unwahrscheinliche Fall eintreten und der Anbieter deiner Fonds pleite gehen, würde das Verfügungsrecht über die Aktien zunächst auf die Depotbank über wandern, die dann dafür zuständig wäre, eine neue Fondsgesellschaft zu finden. Nach einer Übergangszeit von wenigen Wochen würde dann eine andere Fondsgesellschaft die Anteile übernehmen.
Wie gesagt: Dass es überhaupt so weit kommt, ist ziemlich ausgeschlossen und in der Geschichte des UCITS-regulierten Kapitalmarkts bisher noch nicht vorgekommen.
Was, wenn Depotbank oder Broker pleite gehen?
Eine Pleite deiner Depotbank oder deines Brokers würde für dich als Anleger übrigens ähnlich wenig Konsequenzen haben - denn auch hier greift die Sondervermögen-Regelung. Auch in diesem Fall würden die Fondsanteile oder Aktien an eine neue Verwahrstelle transportiert, sprich: an eine andere Depotbank oder einen anderen Broker. Einziger Nachteil könnte für dich darin bestehen, dass du - wie auch im Falle einer Fondsanbieter-Pleite - eine Zeit lang nicht auf deine Papiere zugreifen könntest. Als ETF-Investor stellt das kein größeres Problem dar, schließlich findet kein Verkauf statt und du könntest - sollten die Kurse tatsächlich in der Zwischenzeit fallen - nach der Übertragung weitermachen wie bisher, also Buy and Hold betreiben. Für Halter von Einzelaktien oder gar als engagierte Daytrader sieht die Sache können sich dagegen schnell mal herbe Verluste einstellen, wenn auf das eigene Depot zwei oder drei Wochen nicht zugegriffen werden kann. Falls du nun auf der Suche nach einem geeignetem Depot bist, kannst du dieses in unserem Depot-Vergleich finden.