Verliebt, verlobt, versteuert: Lohnt sich Heiraten für die Steuer?
Der Hafen der Ehe war einst stark frequentiert. Heute gleicht er eher einem beschaulichen Schiffsanleger denn einem geschäftigen Umschlagplatz. 1950 gaben sich noch mehr als 750.000 Menschen in der Bundesrepublik das Ja-Wort - 2022 entschieden sich dazu nur noch halb so viele. Ein Fehler, glaubt man Steuerberatern. Denn vor den Altar zu treten, kann angeblich mehr als 10.000€ Steuern pro Jahr sparen. Welche finanziellen Vorteile bringt der Bund der Ehe wirklich? Und bei welchem vermeintlichen Steuer-Trick ist Vorsicht geboten?
Ehegattensplitting: Überholt oder profitabel?
Die Flitterwochen sind sicher nicht die beste Zeit, um an blassgrüne Elsterformulare zu denken. Dennoch ist es wichtig, sich vor oder kurz nach der Eheschließung Gedanken über die künftige Besteuerung zu machen. Die erste Frage lautet: Soll alles beim Alten bleiben und sollen sich weiterhin beide Partner selbst um ihre Steuern kümmern? Oder möchte man künftig eine gemeinsame Steuererklärung abgeben, sich also gemeinsam veranlagen lassen? Die Veranlagung entscheidet maßgeblich darüber, wie viel Netto vom Brutto übrig bleibt.
Wer nichts macht, wird automatisch gemeinsam veranlagt
Wer nach der Hochzeit erst mal die Bürokratie beiseiteschiebt und „das mit den Steuern“ auf sich zukommen lässt, wird vom Finanzamt automatisch gemeinsam veranlagt. Das bedeutet, dass künftig beide Partner steuerlich wie eine Person behandelt werden.
Ehegattensplitting ist der Standard
Bei gemeinsamer Veranlagung kommt automatisch das sogenannte Splittingverfahren zum Einsatz, besser bekannt als Ehegattensplitting. Dabei werden beide zu versteuernde Einkommen (also die Bruttogehälter minus Werbungskosten, Sonderausgaben und verschiedenen Freibeträgen) zunächst addiert und anschließend durch zwei geteilt, also „gesplittet“. Auf dieses halbierte Einkommen berechnet das Finanzamt schließlich die Steuer und verdoppelt sie im nächsten Schritt. Im Grunde wird also so getan, als hätten beide Partner exakt das Gleiche verdient.
Einen finanziellen Vorteil bringt das Splitting, sobald ein Partner deutlich mehr verdient als der andere. Denn im deutschen Steuersystem steigt der Steuersatz progressiv, also mit der Höhe des Einkommens. Liegt der durchschnittliche Steuersatz bei einem Einkommen von 25.000€ noch bei 13,1% (Durchschnittssteuersatz), müssen bei einem Jahreseinkommen von 70.000€ schon ganze 27,8% versteuert werden. Durch das Zusammenlegen und anschließende Splitten der Einkommen kann der besserverdienende Partner seinen Steuersatz unter Umständen erheblich senken. Der Partner mit dem geringeren Einkommen wird dagegen effektiv stärker besteuert. Unterm Strich ergibt sich für das Paar dennoch eine Entlastung.
Ein Beispiel:
Partner A kommt im Jahr auf ein zu versteuerndes Einkommen von 60.000€, Partner B verdient 30.000€. Die beiden entscheiden sich für die gemeinsame Veranlagung, sodass ihre Einkommen zunächst addiert werden (60.000 + 30.000 = 90.000€) und anschließend geteilt (90.000 / 2 = 45.000). Für diese 45.000€ gilt im normalen Steuer-Grundtarif ein Durchschnittssteuersatz von 21,19%, was einer tatsächlichen Steuerlast von 9.537€ entspricht. Im Splittingverfahren wird diese Steuer nun verdoppelt. Gemeinsam kommt das Paar also auf eine Steuerlast von 19.074€. Das ist etwas weniger, als wenn sich die beiden einzeln veranlagen lassen würden: Partner A (60.000€) müsste 15.242€ ans Finanzamt zahlen und Partner B (30.000€) 4.700€. Insgesamt betrüge die Steuerschuld 19.942€ und damit fast 900€ mehr.
Je größer die Kluft zwischen den Einkommen, desto höher der Steuerbonus
Je größer das Einkommensgefälle zwischen den Partnern, desto höher fällt auch die Ersparnis aus, wie ein Blick auf die folgende Tabelle zeigt. Verdienen dagegen beide Partner nahezu das gleiche, verpufft der Splittingvorteil. Schließlich gilt in dem Fall ohnehin schon der gleiche Steuersatz.
| Gehalt A | Steuer A (inkl. Soli) | Gehalt B | Steuer B (inkl. Soli) | Steuer gesamt (Einzelveranlagung) | Steuer gesamt (Splitting) | Vorteil Splitting |
|---|---|---|---|---|---|---|
| 80.000€ | 24.350€ | 10.000€ | 0€ | 24.350€ | 21.830€ | 2.520€ |
| 40.000€ | 7.828€ | 40.000€ | 7.828€ | 15.656€ | 15.656€ | 0€ |
| 120.000€ | 42.650€ | 60.000€ | 15.242€ | 57.892€ | 55.654€ | 2.238€ |
Wie hoch die Belastung je nach Veranlagung ausfällt, lässt sich über den Steuerrechner des Finanzministeriums ermitteln. Daneben gibt die sogenannte Splittingtabelle Aufschluss über die genaue Steuerschuld bei gemeinsamer Veranlagung.
Torpediert das Ehegattensplitting die Emanzipation?
Das deutsche Steuersystem belohnt es, wenn einer von zwei Partnern wenig bis gar nicht arbeitet oder deutlich weniger als der oder die andere verdient. Für Kritiker des 1958 eingeführten Ehegattensplittings die Hauptursache, warum sie das Modell für überlebt halten. „Weg mit diesem Überbleibsel aus dem Patriarchat“ forderte unlängst Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in der Zeit. Zugleich trat der Ökonom für eine Abschaffung des Modells in seiner jetzigen Form ein. Das Ehegattensplitting bedeute „in der Realität eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen“, so Fratzscher und verwies darauf, dass es in Partnerschaften mehrheitlich nach wie vor die Frauen sind, die weniger verdienen. Etwa, weil sie in schlechter bezahlten Berufen arbeiten oder sich vornehmlich um Haushalt und Kinder kümmern. Das Splitting schaffe „Fehlanreize“, so Fratzscher, „nicht oder weniger zu arbeiten, in erster Linie für Frauen“. Manifestiert das Ehegattensplitting die Kluft zwischen den Einkommen von Mann und Frau, den Gender Pay Gap und befördert damit die weibliche Altersarmut?
Splitting kann zu Altersarmut führen
Je nachdem, wem man diese Frage stellt, variieren die Antworten naturgemäß. Fakt ist, dass das Splittingverfahren verheiratete Paare finanziell besser stellt als unverheiratete, und ganz besonders solche, in denen es einen klaren Hauptverdiener gibt. Geht man davon aus, dass beide Einkommen zusammengelegt werden und es in der Ehe kein „dein“ und „mein“ gibt, ist das rein finanziell zunächst nicht unfair. Der schlechter verdienende Partner steht – in der Gegenwart – genauso gut da wie der andere. Probleme bereiten kann das Ehegattensplitting vor allem in der Zukunft. Je weniger über das gesamte Erwerbsleben hinaus in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt wird, desto geringer fallen im Ruhestand auch die Ansprüche aus. Will heißen: Wer sich vom Ehegattensplitting dazu verleiten lässt, in jungen Jahren weniger zu arbeiten, erhält später auch weniger Rente. Sollte die Ehe bis dahin in die Brüche gegangen sein, kann das Splitting in einigen Fällen tatsächlich ein Einfallstor für die Altersarmut sein.
Zu einer Partnerschaft auf Augenhöhe sollte daher auch gehören, dass beide in der Lage sind, gleichermaßen fürs Alter vorzusorgen. Beispielsweise indem Ausgleichszahlungen für die Jahre der Kindererziehung vereinbart werden oder Versorgungsausgleiche, die selbst bei Scheidung dafür sorgen, dass die Rente fair aufgeteilt wird.
Wann lohnt sich die Einzelveranlagung?
Das Ehegattensplitting mag falsche Anreize schaffen. Dennoch ist es am Ende lediglich eine Option. Denn wer will, kann sich (auch Jahre nach der Eheschließung) einzeln veranlagen lassen. In diesem Fall werden beide Steuern weiterhin einzeln berechnet, zwei Steuererklärungen abgegeben und zwei Steuerbescheide herausgeschickt. In der Regel stellen sich Ehepaare mit der Einzelveranlagung finanziell schlechter, doch es gibt Ausnahmen.
Beispielsweise, wenn einer von beiden Lohnersatzleistungen wie Arbeitslosengeld I, Elterngeld oder Kurzarbeitergeld erhält. Solche Leistungen sind zwar steuerfrei. Allerdings werden sie bei der Berechnung des persönlichen Steuersatzes berücksichtigt und können daher ein Paar mit gemeinsamer Veranlagung insgesamt schlechter dastehen lassen. Auch bei Selbstständigen oder Freiberuflern kann die Einzelveranlagung eine Verbesserung bedeuten. Doch dazu gleich mehr.
3 / 5 oder 4 / 4? Die Kombination der Steuerklassen
Wer sich einzeln veranlagen lässt, bleibt trotz Hochzeit in seiner gewohnten Steuerklasse (für Ledige meist die Steuerklasse I). Gemeinsam veranlagte Paare müssen dagegen von nun an ihre Steuerklassen kombinieren. Für welche Kombination sie sich entscheiden, bestimmt maßgeblich, wie viele Steuern übers Jahr gezahlt werden müssen. Dennoch ist die Wahl der Steuerklassen weit weniger relevant, als viele Menschen denken. Zusammen veranlagte Ehepaare können zwischen drei Varianten wählen.
4 / 4
Die Steuerklasse-Kombi 4 / 4 ist der Standard: Wer sich nicht explizit dagegen ausspricht, wird automatisch in dieses Modell eingruppiert. Dabei bleiben die Steuersätze dieselben wie in der Steuerklasse 1. Verdienen beide Partner in etwa gleich viel, können Ehepaare also guten Gewissens mit dieser Kombination weiterleben, ohne Vergünstigungen zu verpassen. Zumindest während des Jahres werden beide Partner wie Ledige behandelt. Sie profitieren deswegen zunächst nicht vom Ehegattensplitting, zumindest nicht unmittelbar. Doch dazu gleich mehr.
3 / 5
Ganz anders läuft es mit der Steuerklassen-Kombination 3 / 5, welche die beliebteste und gleichzeitig umstrittenste Mischung ist. Hierbei rutscht der Partner mit dem höheren Einkommen in die Steuerklasse 3, während der schlechter verdienende Partner in die Steuerklasse 5 eingeteilt wird. Dadurch wird das höhere Einkommen während des Jahres deutlich geringer und das niedrigere sehr viel stärker besteuert, als wenn beide Partner ledig oder einzeln veranlagt wären. Konkret wird der Freibetrag des schlechter verdienenden Partners dem des Hauptverdieners zugerechnet. Statt aktuell 10.347€ kann dieser also 20.694€ geltend machen. Auch andere Freibeträge (der Kinderfreibetrag oder der Arbeitnehmerpauschbetrag) werden verdoppelt. Der schlechter verdienende Partner verliert dagegen seine Freibeträge, wird also effektiv sehr viel stärker besteuert. Das Ganze kann dann zum Beispiel so aussehen:
| Steuerklassen | Steuer Partner A (60.000€ zvE) | Steuer Partner B (30.000€ zvE) | Steuer gesamt |
|---|---|---|---|
| 3/5 | 5.808€ | 6.125€ | 11.932€ |
| 5/3 | 16.039€ | 164€ | 16.203€ |
| 4/4 | 10.333€ | 2.732€ | 13.065€ |
| 4/4 mit Faktor | 9.878€ | 2.611€ | 12.489€ |
Die Beispielrechnung zeigt: Mit der Steuer-Kombi 3 / 5 fällt die Entlastung für das Ehepaar am stärksten aus. Partner A mit 60.000€ Einkommen zahlt übers Jahr weniger Steuern als Partner B mit 30.000€. Würde man dagegen den schlechter verdienenden Partner in der Steuerklasse 3 eingruppieren und damit jegliche Freibeträge zusprechen, würde das Paar zusammen knapp 4.300€ mehr Einkommensteuer im Jahr bezahlen.
Nur eine scheinbare Steuerminderung
Doch Heiratswillige sollten sich nicht zu früh freuen: An der eigentlichen Steuerschuld des Ehepaares ändert sich langfristig nichts. Vom Bruttogehalt muss am Ende genauso viel abgegeben werden wie in jeder anderen Steuer-Kombination, nur wird die Last anders verteilt. Paare mit der Steuer-Kombi 3 / 5 bekommen aus ihrer Anstellung jeden Monat netto mehr überwiesen als ein Paar mit der Kombination 4 / 4. Dafür müssen sie im nächsten Jahr mit Nachzahlungen rechnen, während sich andere Paare zu viel gezahlte Steuern zurückholen. Mit der Kombination 5 / 3 beispielsweise würde ein Paar jedes Jahr zwar knapp 4.300€ mehr bezahlen als mit der Kombi 3 / 5, also deutlich weniger netto vom brutto pro Monat haben. Dafür könnte es sich mit der nächsten Steuer knapp 3.700€ zu viel gezahlte Steuer zurückerstatten lassen. Hätte das Paar die Kombi 3 / 5 gewählt, fiele mit der nächsten Steuererklärung eine Nachzahlung von rund 560€ an. Das heißt: Statt sich zu viel gezahlte Steuern später zurückzuholen, steht Paaren mit der Kombi 3 / 5 schon im Laufe des Jahres mehr Geld zur Verfügung. Im Internet existieren mehrere Tools, mit denen sich die Nachzahlungen beziehungsweise Erstattungen je nach Steuerklassen-Kombi errechnen lassen. Wenn unterm Strich also die Steuerschuld dieselbe bleibt, drängt sich die Frage auf: Wozu das Ganze?
Elterngeld und andere Leistungen bemessen sich am Nettolohn
Der Vorteil ist: An der Höhe des Nettoeinkommens, also an dem, was jeden Monat netto vom Arbeitgeber aufs Konto überwiesen wird, orientieren sich verschiedene Leistungen. Darunter etwa das Elterngeld oder das Kurzarbeitergeld. So kann es sich beispielsweise lohnen, den geplanten Empfänger des Elterngelds vor Geburt des Kindes in die Steuerklasse 3 einzugruppieren, um später möglichst hohe Transferzahlungen zu erhalten.
Trotz solcher Vorteile hat die Medaille, wie immer, auch eine Kehrseite. Sie betrifft die schlechter verdienende Person. Denn nicht zu unterschätzen sind die emotionalen Folgen der steuerlichen Ungleichbehandlung. Zu sehen, dass sich die eigene Arbeit nach Steuern kaum lohnt, kann äußerst frustrierend sein.
Beide in 4 mit Faktor
Mehr Gleichberechtigung verspricht die Kombination 4 / 4 mit Faktor. Genau wie die Mischung aus den Steuerklassen 3 und 5 werden die steuermindernden Effekte auch mit dieser Kombi bereits im laufenden Jahr berücksichtigt. Dafür wird die Steuerlast gerechter zwischen den beiden Partnern aufgeteilt. Hierfür sorgt der Faktor, der als Multiplikator dient. Er wird jedes Jahr aufs Neue vom Finanzamt berechnet. Dazu müssen beide Partner – ähnlich wie Selbstständige – zu Anfang des Jahres schätzen, wie viel sie voraussichtlich verdienen werden. Die tatsächliche Lohnsteuer, die jeden Monat vom Bruttogehalt abgeht, entspricht durch den Faktor also beinahe exakt der tatsächlichen Steuerschuld. Paare mit der Kombi 4 / 4 mit Faktor profitieren also einerseits schon bei den monatlichen Auszahlungen von den Splitting-Vergünstigungen, müssen aber dennoch nicht mit Nachzahlungen rechnen.
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Welches Modell bei Selbstständigkeit?
Nicht nur fest angestellte Arbeitnehmer, auch Selbstständige, Freiberufler und Kleinunternehmer können sich steuerlich gemeinsam veranlagen lassen und damit von Vergünstigungen wie dem Ehegattensplitting profitieren. Ist einer von beiden fest angestellt, lässt sich sogar das Modell 3 / 5 anwenden. Dabei lohnt es sich fast immer, den fest angestellten Partner in Steuerklasse 3 einzugruppieren – denn dies bleibt ohne negative Auswirkungen für den selbstständigen Partner.
Schließlich existieren für Selbstständige keine Steuerklassen. Sie bekommen – genau wie Freiberufler – ihre Einkünfte während des Jahres zunächst brutto ausgezahlt, berechnen ihre Steuerlast jedes Jahr selbst und zahlen nachträglich im nächsten Jahr, was das Finanzamt von ihnen verlangt. Der Steuersatz bemisst sich an der Höhe der Einkünfte. Mit dem Modell 3 / 5 können Ehepaare, von denen einer selbstständig arbeitet, also ebenfalls die monatlichen Abgaben drücken, ohne dass dies Auswirkungen auf das Einkommen des anderen hätte.
Gemeinsame Veranlagung ist widerrufbar
Es stimmt, eine Hochzeit kann sich finanziell lohnen. Umso mehr, je größer die Kluft zwischen den Einkommen ist. Relevant ist dabei nicht die Wahl der Steuerklassen, sondern wie sich ein Paar veranlagen lässt: gemeinsam oder getrennt. Und auch wenn theoretisch kein Ehepaar gezwungen ist, diese Möglichkeiten auch auszuschöpfen, wird genau das nach finanzieller Abwägung doch in den meisten Fällen geschehen. Wichtig ist vor allem, dass sich beide Partner, insbesondere der schlechter verdienende, über die konkreten Auswirkungen des Ehegattensplittings und einer bestimmten Kombination der Steuerklassen bewusst sind. Sollte man erst mit den ersten Lohnbescheiden nach den Flitterwochen daran erinnert werden, ist das aber auch nicht dramatisch. Die Veranlagung lässt sich auch nachträglich noch ändern. Dafür muss man sich nicht mal einig sein. Denn die Zusammenveranlagung lässt sich notfalls auch einseitig aufheben, ohne Zustimmung des Partners.