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Payment for Order Flow Verbot

Ab 2026 will die EU das „Payment for Order Flow“-System verbieten – und damit eine wichtige Einnahmequelle der Broker streichen. Kritiker fürchten, dass Investieren dann wieder teurer wird. Doch das muss nicht sein.

Die deutsche Aktienkultur ist ein zartes Pflänzchen. Bisher hat sie noch nicht oft geblüht, doch wenn, dann in den schillerndsten Farben. Zum Beispiel vor etwas mehr als 20 Jahren. Da fing es gerade an mit den jungen Internet-Unternehmen, den eBays, Yahoos und Telekoms, an deren Aufstieg etliche deutsche Anleger teilhaben wollten. Geendet hat es mit der Dotcom-Krise, Panikverkäufen und einer scheinbar auf ewig verschreckten Anlegergemeinschaft. Erst 20 Jahre später, kurz nach Ausbruch der Coronapandemie, erblühte die deutsche Aktienkultur aufs Neue. Rund 2,7 Mio. Neu-Anleger strömten 2020 an die Börse und investierten in Aktien oder ETFs, von Jahr zu Jahr wurden es mehr. „Deutschland kann Aktie!“, verkündete das Deutsche Aktieninstitut (DAI) feierlich in seinem Anlegerreport von 2022. Die Frage ist: wie lange noch?

Kommt alles wie geplant, könnte die Aktienkultur, dieses zarte Pflänzchen, bald ertränkt werden. Denn die Unterhändler der EU-Mitgliedstaaten haben die Stimmung der Anleger gerade ins Kippen gebracht. Grund ist ein geplantes Verbot, das angeblich dem Verbraucherschutz dienen soll: Ab 2026 will die EU das „Payment for Order Flow“- System (PFOF) verbieten und damit vielen Brokern die Haupteinnahmequelle streichen. Ausgerechnet die Verbraucher werden dadurch in die Röhre schauen, mahnen Kritiker, im Netz starteten schon die ersten Petitionen. Doch was ist überhaupt verwerflich an der Art und Weise, wie Broker ihr Geld verdienen? Und würde ein Verbot das Investieren wirklich teurer machen?

Umfrage Broker
Umfrage in der Finanzfluss-Community zu Ordergebühren (7/2023)

„Payment for Order Flow“: Was steckt dahinter?

Insbesondere viele der modernen Neobroker machen den Großteil ihres Umsatzes über sogenannte Rückvergütungen. Kauft oder verkauft ein Anleger eine Aktie oder einen Fondsanteil über den Broker, führt dieser die Order nicht selbst aus, sondern leitet sie an einen kooperierenden Handelsplatz weiter. Einige Broker kooperieren mit mehreren Plattformen, manche auch nur mit einem einzigen. Beim Neobroker Trade Republic beispielsweise handeln Anleger ausschließlich über das elektronische Handelssystem Lang & Schwarz Exchange, Scalable Capital gibt die Orders an die Handelsplätze Gettex und Xetra weiter. Ist die Order beim Handelsplatz angekommen, stellen sogenannte Market-Maker den Kurs beziehungsweise den Preis, zu dem Anleger eine Aktie handeln können. Genauer gesagt sind es zwei Kurse: der Briefkurs (Kaufkurs) und der Geldkurs (Verkaufskurs). Wer als Anleger ein Wertpapier kaufen möchte, bekommt den (stets etwas höheren) Briefkurs angezeigt, als Verkäufer den (etwas niedrigeren) Geldkurs. Man spricht bei dieser Spanne zwischen den Kursen auch vom Spread. Der eigentliche Börsenkurs liegt dagegen in der Mitte. Das heißt: Anleger handeln stets zu einem etwas schlechteren Preis, als es auf den ersten Blick aussieht. Und genau daran verdient der Handelsplatz Geld.

„Kickbacks“ haben günstigen Handel erst ermöglicht

Je größer der Spread ist, desto mehr nimmt der Handelsplatz durch eine Order ein. Einen Teil dieser Marge gibt er anschließend in Form einer Rückvergütung an den Broker weiter, der ihm den Auftrag erst vermittelt hat. Man nennt diese Vergütungen auch Kickbacks. Je nach Liquidität und Art des Wertpapiers liegt sie unterschiedlich hoch und lässt sich für gewöhnlich vor der Transaktion im Broker einsehen.

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Beispiel Trade Republic
Wir haben einen Versuch gemacht und bei Trade Republic testweise einen ETF-Anteil gekauft. Kurz bevor die Order abgeschickt wird, erscheint ein unscheinbarer Link „Kosteninformation“. Klickt man darauf, wird die Rückvergütung offengelegt. Unter „Zahlungen von Dritten an die Bank“ wird angezeigt, dass Trade Republic dafür eine Vergütung von 4,50€ bekommt. Inklusive der Ordergebühr von 1€ macht der Broker durch diese Order also einen Umsatz von 5,50€. Beim Verkauf könnte dieser dann noch einmal anfallen.

Für viele Broker ist die Rückvergütung entscheidend. Das Finanzmagazin Finance Forward schätzte zuletzt, dass mehr als die Hälfte der Umsätze beim Neobroker Trade Republic aus dem Provisionsgeschäft stammen dürfte.

EU sieht Interessenkonflikt

Die Rückvergütungen der Handelsplätze an die Broker sind der EU-Kommission ein Dorn im Auge. Doch weshalb? Die EU-Kommission vermutet einen Interessenkonflikt. Broker könnten sich wegen des Bezahlmodells für jene Handelsplätze entscheiden, die ihnen die höchsten Rückvergütungen einbringen. Gleichzeitig könne der Anreiz bei den Handelsplätzen gering sein, immer den besten Kurs zu stellen, da sie sich ohnehin ihrer Orders sicher sein können. Das alles ginge zulasten der Verbraucher, so die Befürchtung.

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„Rückschlag für Entwicklung einer Aktienkultur“

Doch würde ein Verbot den Verbrauchern tatsächlich helfen? Oder nicht eher einen Bärendienst erweisen? Letzteres fürchten die Gegner der EU-Pläne – und wittern gleichzeitig versteckten Lobbyismus. Man schütze „mit theoretischen wettbewerbsrechtlichen Erwägungen Monopolisten zum Schaden von Verbrauchern“, zitiert etwa die Süddeutsche Zeitung die Vorstandschefin eines Fintechs. Die „Monopolisten“, das sind Marktplätze wie Xetra oder Euronext, für die die alternativen Handelsplätze der kleinen Regionalbörsen schließlich Konkurrenten darstellen. Ähnlich sieht es Erik Podzuweit, Gründer des Neobrokers Scalable Capital, für den das Payment for Order Flow-System eine wichtige Einnahmequelle ist. Ein Verbot diene „vor allem den Akteuren, die Wettbewerb auf den Kapitalmärkten verringern und mit hohen Gebühren ihr Bestehen sichern wollen“, sagt der CEO auf Anfrage von Finanzfluss. Statt neue Möglichkeiten für Sparer und Anleger zu schaffen, würde eine Abschaffung der Rückvergütungen für viele Anleger zu steigenden Kosten führen. „Die Entscheidung ist ein klarer Rückschlag für die Entwicklung einer Aktienkultur“, meint Thomas Soltau, Vorstandsvorsitzender des Anbieters Smartbroker. Durch „gegebenenfalls höhere Gebühren“ würden „Anleger benachteiligt“ und „neue Eintrittsbarrieren“ geschaffen.

Übrigens beträfe ein Verbot längst nicht nur Neobroker. Auch viele klassische Online-Broker großer Banken generieren einen Teil ihrer Einnahmen durch Rückvergütungen. „Wir reden hier keineswegs nur über ein Thema der ‘Neobroker’“, sagt Thomas Soltau.

Bafin gegen pauschales Verbot

Das System der Rückvergütungen hat also maßgeblich dazu beigetragen, dass Broker ihre Kosten senken konnten – und das vielfach auch getan haben. Doch wie sehr schadet es den Anlegern gleichzeitig? Das hat die Bafin schon im Frühjahr 2022 untersucht. In einer Studie prüfte sie, ob es für Anlegerinnen und Anleger eher von Vorteil oder von Nachteil ist, wenn ihre Order über einen Handelsplatz abgewickelt wird, der im Anschluss eine Rückvergütung an den Broker zahlt. Dazu nahm die Aufsichtsbehörde verschiedene „PFOF-relevante“ Handelsplätze genauer unter die Lupe, darunter Lang & Schwarz Exchange (Börse Hamburg), die Plattform Quotrix (Börse Düsseldorf) sowie Gettex (Börse München). Die Behörde prüfte knapp 30% aller an den Handelsplätzen ausgeführten Aktien-Transaktionen. Das Ergebnis: Das Provisionsmodell im Hintergrund ist für Anleger eher von Vorteil als von Nachteil. Zumindest, wenn es um die Anlage kleinerer Summen geht. „Insbesondere bei Transaktionsvolumina bis 2.000€ in DAX-Aktien und bis 500€ in Nicht-DAX-Aktien erzielen Privatkunden an PFOF-Märkten bessere Gesamtergebnisse als an den gegenübergestellten Referenzmärkten“, heißt es in der Zusammenfassung der Studienergebnisse. Grund dafür seien unter anderem Mindestkosten, die einige große Referenzbörsen für die Ausführung einer Order erheben.

Als gänzlich unbedenklich stuft allerdings auch die Bafin das Provisionssystem nicht ein. Schon 2021 teilte die Behörde die Befürchtung, das System könne Interessenkonflikte beim weiterleitenden Broker auslösen. Dennoch sprach sie sich gegen ein pauschales Verbot der Praktik aus. Zu groß seien am Ende die Vorteile der Rückvergütungen, allen voran die dadurch niedrigeren Transaktionskosten. „Vor einem Verbot von Payment for Order Flow sollten wir Aufseher die Auswirkungen umfassend analysieren und über weniger restriktive regulatorische Maßnahmen nachdenken“, kommentierte Thorsten Pötzsch, Exekutivdirektor Wertpapieraufsicht der Bafin, vergangenes Jahr die Studienergebnisse.

„Unsere Philosophie bleibt dieselbe“

Doch wie teuer würde das Investieren überhaupt werden, sollte das Verbot wirklich in Kraft treten? Worauf müssen sich Anleger einstellen, die mehr oder weniger regelmäßig Wertpapiere über einen Online-Broker kaufen? Das könne man noch nicht prognostizieren, heißt es vom Anbieter Scalable Capital. Doch möglicherweise wäre die Teuerung gar nicht so deutlich, wie derzeit von vielen befürchtet. CEO Erik Podzuweit jedenfalls ist überzeugt: „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die fehlenden Einnahmen aufzufangen.“ Man wolle weiterhin das günstigste und beste Angebot für Sparer und Anleger bereitstellen. „Ganz gleich, wie es kommt, unsere Philosophie bleibt dieselbe“. Doch an welchen Schrauben ließe sich drehen, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren und die Preise niedrig halten zu können? Scalable Capital hat da bereits einiges in petto, eine Trading-Flatrate zum monatlichen Festpreis zum Beispiel sowie Zins-Angebote. Konkurrent Trade Republic gibt sich ebenfalls optimistisch: Man werde „die kommenden Monate nutzen, um neue Lösungen zu entwickeln und das Angebot auszubauen“, so ein Sprecher des Berliner Neobrokers. Man sei zuversichtlich, „auch nach einem Verbot von Payment for Order Flow eine kostengünstige Lösung für Investoren in Deutschland anbieten“ zu können. Davon ist man auch bei Smartbroker überzeugt: „Glücklicherweise sind wir flexibel genug, um uns an neue Gegebenheiten des Marktes und der Regulatorik anzupassen.“

Erste Petitionen gestartet

In Teilen der Anlegergemeinschaft scheint die Zuversicht weit weniger verbreitet zu sein. Die Kunden zeigten sich „vor allem entsetzt über die Entscheidung, die ganz offensichtlich nicht in ihrem Interesse ist“, sagt Erik Podzuweit. Die meisten hätten erst mit der Berichterstattung der vergangenen Tage von den Plänen erfahren und fragten sich jetzt, ob die Entscheidung noch rückgängig zu machen sei.

Und vielleicht ist sie es sogar: Im Netz finden sich inzwischen einige Petitionen gegen das geplante Verbot, eine davon auf der Plattform change.org. Binnen zehn Tagen haben mehr als 10.000 Unterstützerinnen und Unterstützer die Petition unterschrieben. Und wenn selbst die Stimmen der Privatanleger das Gesetz nicht mehr abwenden können? „Dann ist es wichtig, dass wir uns gegen bevorstehende Regulierungen wehren“, sagt Podzuweit.

Wettbewerb wird nicht zum Erliegen kommen

Jetzt schon mit Blick auf 2026 den großen Preisschock zu prognostizieren, wäre also möglicherweise zu voreilig. Abgesehen davon, dass das Verbot in den kommenden drei Jahren eventuell gekippt oder abgeschwächt wird, bliebe den Anbietern bis dahin genügend Zeit, neue Einkommensquellen zu erschließen oder bestehende auszubauen, um die fehlenden Einnahmen zu kompensieren. Und diese Möglichkeiten werden die meisten Broker (zum Vorteil der Anleger) ausschöpfen. Schließlich war es insbesondere der Preis, der den Neo- und Online-Brokern der Gegenwart ihren Auftrieb verschafft hat. Trotz Verbot würde es weiterhin darum gehen, sich als günstigster und damit attraktivster Anbieter am Markt zu platzieren. Und von diesem Wettbewerb profitieren letztlich die Anleger. Vielleicht lebt sie also doch noch eine Weile weiter, die deutsche Aktienkultur, dieses zarte Pflänzchen. Und wer weiß, vielleicht wird sie irgendwann so robust, dass ihr auch stärkere Erschütterungen nichts mehr anhaben können.

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