CO₂-Zertifikate – Was du beachten solltest

Jule Zentek
Jule Zentek
Stand: 8. Dezember 2022
CO₂-Zertifikate geben ihrem Besitzer das Recht, CO₂ ausstoßen zu dürfen. Sie sind ein Weg, um Treibhausgasemissionen wie CO₂ einen Preis zu geben und sollen den Ausstoß von Emissionen so langfristig begrenzen. In diesem Ratgeber erfährst du, welche Möglichkeiten es zur Bepreisung von CO₂ gibt, wie es in Deutschland und international gehandhabt wird und ob man als Privatanleger mitmachen kann.

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Was du wissen solltest
  • Lange wurden Treibhausgase wie CO₂ in die Luft geblasen, ohne dass es deswegen Konsequenzen gab. Sie sind jedoch der Grund für die menschengemachte Erderwärmung.
  • Die Schäden, die CO₂ in der Atmosphäre anrichtet, werden in der Ökonomie als negative „externe Kosten“ bezeichnet. Sie treten z.B. im Produktionsprozess von Stahl auf, wurden aber lange nicht in den Kosten eingepreist.
  • Die Bepreisung von Treibhausgasen wie CO₂ soll das ändern und Produktionsverfahren so teurer machen. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten.
  • Privatanlegerinnen können ihre CO₂-Emissionen kompensieren oder mit futurebasierten Zertifikate auf steigende Preise wetten.

Welche Möglichkeit zur Bepreisung von CO₂ gibt es?

Grundsätzlich unterscheidet man zwischen 3 Möglichkeiten, mit denen man CO₂ und anderen Treibhausgasen ein Preis geben kann. Die Ziele der klimapolitischen Instrumente sind jedoch dieselben: Emissionen sollen einen Preis bekommen, also internalisiert werden. Und es soll eine Lenkungswirkung durch Marktanreize erzeugt werden, damit langfristig CO₂-Emissionen reduziert werden. 

CO₂-Steuer 

Bei einer CO₂-Steuer gibt es einen festen Steuersatz auf alles, was Emissionen ausstößt. Die Emissionen sind damit die Bemessungsgrundlage der Steuer. Durch die Steuer steigen die Kosten für Produktionsverfahren und somit schließlich auch für Waren und Dienstleistungen. 

CO₂-Festpreis

Eine andere Möglichkeit ist ein fester Preis für CO₂-Emissionen, z.B. pro Tonne. Häufig wird der Preis politisch bestimmt und bildet sich nicht frei am Markt. Wer den Preis zahlt, erkauft sich damit das Recht emittieren zu dürfen. Im Fall des deutschen CO₂-Preises soll das Festpreis-System langfristig in einen CO₂-Zertifikatehandel mit freier Preisbildung am Markt übergehen. 

CO₂-Emissionsrechte

Mit CO₂-Zertifikaten kauft man sich das Recht, Emissionen in die Luft pusten zu dürfen. Der Preis bildet sich dabei in der Regel frei am Markt, kann jedoch durch politische Eingriffe beeinflusst werden. Ein Stahl-Hersteller muss beispielsweise so viele Emissionsrechte kaufen, wie sein Ausstoß am CO₂ hoch ist. Außerdem können Unternehmen untereinander mit diesen Zertifikaten traden – also handeln.

Dabei wirkt das Prinzip der Verknappung, denn die Zertifikate werden begrenzt. Diese Obergrenze wird „Cap“ genannt. Deswegen spricht man auch von „Cap and Trade”-Systemen. Dieses Cap sinkt über einen bestimmten Zeitraum. Dadurch wird die Anzahl an verfügbaren Zertifikate immer weniger. 

Angebot und Nachfrage bestimmen dabei über den Preis: 

  1. Ist die Nachfrage durch Unternehmen größer als das Angebot, dann steigt der Preis für die Zertifikate.
  2. Ist die Nachfrage geringer als das Angebot, dann sinkt der Preis.

Der Theorie nach soll die Nachfrage das Angebot übersteigen. Das soll dann dazu führen, dass Unternehmen einen Anreiz haben, auf klimafreundlichere Alternativen umsteigen. Zum Beispiel ihren Herstellungsprozess klimafreundlicher zu gestalten oder bei den Firmenwagen von Benzinern auf E-Autos umzusteigen. 

CO₂-Preis in Deutschland

In Deutschland gibt es seit 2021 das nationale Emissionshandelssystem (nEHS). Dabei handelt es sich aber nicht um einen klassischen Zertifikatehandel, sondern um einen Festpreis pro Zertifikat. Dieser Preis wird politisch bestimmt und gilt für CO₂-Emissionen aus den Bereichen Verkehr und Wärme. Ab 2023 gilt er außerdem für die Kohleverbrennung und ab 2024 soll er auch für die Müllverbrennung fällig werden.

Im Jahr 2022 lag der Preis bei 30€ pro Tonne CO₂. Bis 2025 sollte der Preis in 5-Euro-Schritten jährlich ansteigen und schließlich 2026 bei mindestens 55€ pro Tonne liegen. Wegen der aktuellen Inflation und Krise wurde die Erhöhung für das Jahr 2023 von der Bundesregierung ausgesetzt. Erst 2024 soll der Preis wieder um 5€ erhöht werden. 

Unternehmen auf dem Brenn- und Kraftstoffhandel, die Heiz- und Kraftstoffe wie Heizöl, Erdgas, Benzin und Diesel in Umlauf bringen, müssen den Preis zahlen. Und zwar pro Tonne CO₂, die durch den Verbrauch von Heizöl, Benzin und Co. ausgestoßen wird. 

Die Unternehmen geben den Preis allerdings an uns Endkonsumenten weiter. Dadurch müssen private Haushalte mehr fürs Heizen und beim Tanken an der Tankstelle zahlen. Ab 2023 müssen Vermieter einen Teil der CO₂-Kosten ihrer Mieter übernehmen. Wie hoch der Anteil ist, ist abhängig von der Heizung und dem Zustand des Gebäudes. 

JahrPreis pro Tonne CO₂*erwarteter Preisanstiegpro Liter Benzinerwarteter Preisanstieg pro Liter Diesel
202125€ca. 7 Centca. 8 Cent
202230€ca. 8,4 Centca. 9,5 Cent 
202330€ca. 8,4 Centca. 9,5 Cent 
202435€ca. 9,9 Centca. 11 Cent
202545€ca. 12,9 Centca. 14 Cent
202655€ - 65€** ca. 15,9 Centca. 17 Cent
*Anstieg bezieht sich auf das Basisjahr 2020
**Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55€ pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65€ pro Emissionszertifikat
Quelle: ADAC (Stand: 11/2022)

Ab 2026 soll der CO₂-Preis in einen Zertifikatehandel mit begrenzter Anzahl an Zertifikaten übergehen. Dann müssen Unternehmen die Zertifikate ersteigern. 

CO₂-Zertifikatehandel auf EU-Ebene

Den ersten CO₂-Markt der Welt gab es in der Europäischen Union. Schon seit 2005 gibt es das Europäische Emissionshandelssystem, kurz EU ETS. Aktuell befinden wir uns in der vierten Handelsperiode (2021–2030). 

Der EU ETS deckt die Treibhausgasemissionen von Energie- und Industrieanlagen ab. 2012 kamen die Emissionen des innereuropäischen Luftverkehrs hinzu. Laut der Deutschen Emissionshandelsstelle erfasst der EU ETS somit rund 40 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen in der EU.

So funktioniert der EU ETS 

Der EU ETS funktioniert nach dem Prinzip „Cap and Trade“: Es gibt eine Obergrenze für die Gesamtmenge an Treibhausgasen, die von den unter das System fallenden Anlagen emittiert werden dürfen. Diese Obergrenze wird festgelegt und sinkt im Laufe der Zeit, sodass die erlaubte Menge an Gesamtemissionen sinkt. 

Diese Zertifikate, also das Recht zur Verschmutzung, müssen alle Unternehmen kaufen, die gesetzlich dazu verpflichtet sind, wie zum Beispiel Betreiber von Kraftwerken oder Flugunternehmen. In der gesamten EU betrifft das mehr als 11.000 Unternehmen und in Deutschland mehr als 1.800 Industrie- und Energieanlagen. Rund die Hälfte davon sind Kraftwerke, die Energie produzieren. Zur andere Hälfte gehören Unternehmen aus der Stahl-, Eisen- und Chemieindustrie sowie Raffinieren.

Ein Teil der Unternehmen bekommt eine gewisse Anzahl an Emissionsrechten entsprechend den Zuteilungsregeln kostenlos. Die Idee dabei ist unter anderem, dass Unternehmen in einkommensschwächeren EU-Mitgliedstaaten durch kostenlose Zertifikate geringere Kosten haben und dadurch eher in die Modernisierung des Energiesektors investieren können. Außerdem geht es auch um Wettbewerb: Produzierende Gewerbe sollen mit Konkurrenten aus dem Nicht-EU-Ausland mithalten können. 

An der kostenlosen Vergabe gab es immer wieder Kritik. Sogar der Europäische Rechnungshof hat bereits kritisiert, dass die mehr als 40 Prozent der verfügbaren Zertifikate, die kostenlos vergeben werden, nicht gezielt vergeben werden. In Zukunft soll es die kostenfreien Zertifikate nicht mehr geben, das hat die Reform des EU ETS ergeben. Ab 2027 soll die kostenlose Vergabe schrittweise auslaufen und ab 2032 abgeschafft sein. 

Die Unternehmen, die derzeit keine kostenlosen Zertifikate erhalten oder bei denen die Zuteilung nicht ausreicht, müssen bei den regelmäßig stattfindenden Auktionen mitmachen und ihre Zertifikate ersteigern. Außerdem können sie mit anderen Unternehmen handeln und deren nicht genutzte Zertifikate abkaufen. 

Durch diese Auktionen und den Handel zwischen den Unternehmen ergibt sich per Angebot und Nachfrage der Marktpreis. Auch ist die Idee: Benötigen viele Unternehmen die Berechtigungen und gibt es langfristig immer weniger davon. Dadurch steigen die Preise. 

Für die Unternehmen heißt das, ihre Vermeidungskosten für Emissionen steigen. Je höher diese Kosten, desto eher können sie ein Anreiz für Unternehmen sein, ihre Treibhausgasemissionen zu reduzieren, beispielsweise indem sie auf klimafreundlichere Produktionsverfahren umsteigen.

Künftig soll der Emissionshandel im EU ETS auch auf den Gebäude- und Verkehrssektors sowie auf die Schifffahrt ausgeweitet werden.

CO₂-Märkte & CO₂-Steuern weltweit

Auf internationaler Ebene gibt es mittlerweile einige Länder, die sich für eine Bepreisung von CO₂ entschieden haben. In den USA, Kanada, Kasachstan, Südkorea, Neuseeland und China gibt es nationale CO₂-Trading Systeme. Japan, Schweden, Norwegen, Argentinien, Mexiko und Südafrika haben hingegen eine CO₂-Steuer eingeführt. 

Die Systeme der verschiedenen Länder unterscheiden sich auch in ihrer Ambition. Oft wird dabei die Höhe der Preise kritisiert: Sie seien viel zu gering, für den Schaden, den CO₂ in der Luft anrichtet. 

Das Umweltbundesamt hat 2021 den Schaden, den Treibhausgase in der Atmosphäre anrichten, auf 201€ pro Tonne CO₂ geschätzt. Werden die Wohlfahrtseinbuße zukünftiger Generationen gegenüber der heutigen, die durch die klimabedingten Veränderungen und Schäden entstehen, hineingerechnet, kommt das Umweltbundesamt sogar auf 698€ pro Tonne. 

Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens 

Auf internationaler Ebene soll in diesem Bereich künftig mehr zusammengearbeitet werden. Dabei geht es geht um Artikel 6 des Pariser Klimaabkommens der Vereinten Nationen. Seit 2015 wird über die Umsetzung und Ausgestaltung verhandelt. 

Artikel 6 sagt, dass Länder miteinander kooperieren können, um die Klimaschutzziele, die in ihren nationalen Plänen zur Emissionsminderung (NDCs) stehen, zu erreichen. Das soll über einen internationalen, grenzüberschreitenden CO₂-Markt möglich sein. 

Dabei sollen Länder Emissionen, die sie z.B. durch Klimaschutzprojekte kompensieren, in Form von Gutschriften an andere Länder übertragen können. Dabei geht es um Zertifikate für Negativ-Emissionen, heißt: Emissionen, die schon in der Luft sind, können durch solche Zertifikate ausgeglichen werden – praktisch wie bei der CO₂-Kompensation von Flugreisen.

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Ein Beispiel
Land A stößt mehr Emissionen aus, als es laut seinen eigenen Klimaschutzzielen darf. Es könnte die Differenz mit sogenannten Negativ-Emissionen ausgleichen. Diese Negativ-Emissionen bietet Land B an, das durch das Aufforsten von Wäldern zahlreiche natürliche CO₂-Speicher schafft. Land A schließt einen bilateralen Vertrag mit Land B und kauft ihm die Gutschriften ab und gleicht so auf dem Papier seine eigene CO₂-Bilanz auf Nettonull aus.

Wichtig: Eine Doppelzählung soll vermieden werden. Nur Land A darf sich die Negativ-Emissionen anrechnen. 

Auch Unternehmen und Einzelperson können solche zertifizierten Negativ-Emissionen kaufen. Das geht auf den sogenannten freiwilligen CO₂-Märkten. Bei der COP 27 in Ägypten wurde über diese CO₂-Märkte verhandelt. Es ging unter anderem darum, ein einheitliches Verständnis von Klimaschutz und somit Standards für Klimaschutzprojekte zu schaffen. 

Wie kann man als Privatperson CO₂-Zertifikate handeln?

Expertinnen gehen davon aus, dass der Preis für Emissionsrechte und Negativ-Emissionen in Zukunft eher steigen als fallen wird. Das macht sie grundsätzlich auch attraktiv für Anleger, um z.B. auf steigende Preise zu setzen. 

Negativ-Emissionen kaufen

Es gibt verschiedene Anbieter, bei denen man als Privatperson oder Unternehmen Negativ-Emissionen kaufen kann. Meistens aber nur als direkte Kompensation, um z.B. den eigenen CO₂-Fußabdruck zu kompensieren und nicht als Zertifikat zum Handeln. 

Wer Kompensationszertifikate kaufen möchte, sollte darauf achten, dass es sich um seriöse Anbieter handelt, die Gutschriften von zertifizierten Klimaschutzprojekten verkaufen. 

Futurebasierte Zertifikate auf den CO₂-Preis 

CO₂-Zertifikate in Form von Emissionsrechten des EU ETS können Privatanlegerinnen nicht direkt kaufen, da sie keinen Zugang zu den Energiebörsen in Leipzig oder London haben. Es gibt aber Finanzprodukte, die den CO₂-Preis nachbilden

Eine Möglichkeit sind aber futurebasierte Zertifikate, die die Wertentwicklung des CO₂-Preises nachzeichnen. Mit ihnen kann man auf die Entwicklung des CO₂-Preises wetten. 

Die französische Geschäftsbank Société Générale bietet mehrere dieser Art an. Als Basiswert gilt der ICE EUA. ICE steht dabei für die Terminbörse „Intercontinental Exchange“, an der die entsprechenden Futures gehandelt werden. EUA steht für „European Union Allowance“ und meint die handelbare Einheit im Rahmen des EU ETS, die dem Inhaber das Recht gibt, eine Tonne CO₂ auszustoßen. 

Diese Zertifikate kann man handeln, allerdings muss bewusst sein: Einlagen in Zertifikaten sind nicht als Sondervermögen geschützt. Sie unterliegen nicht der gesetzlichen Einlagensicherung, die Vermögen bis zu einer Grenze von 100.000€ schützt.

Außerdem wird der CO₂-Preis durch politische Entscheidungen beeinflusst, z.B., indem die Anzahl an Zertifikaten verringert wird. Dadurch lässt sich schwer einschätzen, wie sich der Preis entwickeln wird und welche Faktoren darauf einwirken. Das Risiko von unerwarteten Preisveränderungen und Schwankungen ist daher groß. 

Häufig gestellte Fragen

Warum gibt es einen Preis für CO₂?

Welche Möglichkeiten gibt es, um CO₂ einen Preis zu geben?

Wie funktioniert der CO₂-Zertifikatehandel?

Werden alle Emissionen durch den Zertifikatehandel abgedeckt?

Kann man als Privatanleger mitmachen?