Was sind Derivate? Derivate einfach erklärt!
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- Derivate sind Finanzprodukte, die den Preis eines Basiswerts abbilden. Basiswerte können z.B. Wertpapiere wie Anleihen oder Aktien sein. Ein Derivat kann jedoch auch von Kurs- oder Zinsentwicklungen, von Rohstoffpreisen, Kennzahlen oder Indizes abgeleitet werden.
- Zur Familie der Derivate zählen Finanzprodukte wie Aktienanleihen, Swaps, Futures, Zertifikate, Optionen bzw. Optionsscheine und CFD (Contract for Difference).
- Derivate werden von Privatanlegern hauptsächlich zur Spekulation genutzt. Manchem Investor dienen sie aber auch zur Absicherung von Währungs- und Kursrisiken.
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- Informiere dich über die Beschaffenheit und Funktionsweise von Derivaten und werde dir über deine Investmentziele klar.
- Überprüfe die Gebührenstruktur des Produkts, bevor du investierst.
- Solltest du dich für den Kauf eines Derivats entscheiden, kannst du das zum Beispiel über einen Online-Broker und damit über die Börse machen. Derivate lassen sich aber auch OTC, also außerbörslich über eine Bank erwerben.
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Was ist ein Derivat?
Derivat ist der Oberbegriff für viele unterschiedliche Finanzinstrumente. Der Name stammt vom lateinischen Wort „derivare“ ab, was nichts anderes als Ableitung bedeutet. Der Name beschreibt also schon ganz gut, wie Derivate funktionieren.
Bei einem Derivat handelt es sich um ein Finanzprodukt, dessen Preis sich von einem Basisprodukt wie beispielsweise einem Wertpapier, einer Währung oder eines Rohstoffs ableitet. Ein Derivat kann jedoch auch von Kurs- oder Zinsentwicklungen, von Rohstoffpreisen, Kennzahlen oder Indizes abgeleitet werden.
Wie viel ein Derivat kostet, hängt also von dem Preis eines Basiswerts ab, der dem Derivat zugrunde liegt. Je nachdem, wie sich der Preis des Basisprodukts entwickelt, profitiert der Anleger oder er verzeichnet Verluste. Anders als beispielsweise beim direkten Kauf von Aktien kannst du mit einem Derivat auch auf fallende Kurse setzen.
Der Handel mit Derivaten ist keine Erfindung der Neuzeit, sondern mehrere Tausend Jahre alt. Schon 8000 v. Chr. schlossen Händler und Produzenten untereinander Verträge (Terminkontrakte), mit denen sie sich zum Beispiel vor dem Verfall oder Anstieg von Preisen für bestimmte Produkte schützten. Heutige Zertifikate können sowohl über die Börse als auch außerbörslich (OTC; Over the Counter) gehandelt werden.
Welche Arten von Derivaten gibt es?
Zu der Gruppe der Derivate zählen gleich mehrere Finanzprodukte. Die wichtigsten im Überblick:
Optionen
Eine Option zu kaufen, bedeutet, sich das Recht zu sichern, einen Basiswert zu einem vorher festgelegten Zeitpunkt und zu einem vorher festgelegten Preis zu erwerben. Der eigentliche Kauf des Basiswerts liegt also in der Zukunft, weswegen man bei Optionen auch von Termingeschäften spricht. Optionen beziehungsweise Optionsscheine stellen ein Recht dar, verpflichten aber nicht zum Kauf.
Futures / Terminkontrakte
Futures, auch genannt Terminkontrakte, funktionieren ganz ähnlich wie Optionen - mit dem Unterschied, dass sie verpflichtend sind. Erwirbst du ein Future, kannst du von dem Kauf des Basiswerts also nicht mehr zurücktreten. Abwenden lässt sich das Ganze nur durch einen Weiterverkauf des Kontrakts, man spricht dabei vom Glattstellen der Position. Mit Futures kannst du auf die Preisentwicklung verschiedenster Basiswerte wetten, darunter Rohstoffe wie Weizen und Öl, aber auch Aktien oder ganze Aktienindizes.
Zertifikate
Zertifikate sind Schuldverschreibungen, die von Banken ausgegeben werden. Anders als beispielsweise Optionen haben Zertifikate einen Emittenten (die Bank). Es besteht also ein Emittentenrisiko. Genau wie mit Optionen oder Futures wetten Investoren mit Zertifikaten auf die Wertentwicklung eines bestimmten Basiswerts, also beispielsweise einer Aktie, eines ganzen Aktienindex, einer Anleihe oder eines Rohstoffs. Eine Form von Zertifikaten sind beispielsweise ETCs (Exchange Traded Commodities), mit denen Anleger in Rohstoffe investieren können. Ein Zertifikat bündelt dabei mehrere Futurekontrakte und kann unterschiedliche Laufzeiten haben.
Differenzkontrakte (CFDs)
Bei CFDs (Contracts for Difference) schließen Investoren wetten praktisch gegen ihren Broker auf die Kursentwicklung eines Basiswerts. Setzt der Investor etwa auf einen sinkenden Aktienkurs und sinkt der Kurs nach Abschluss des Vertrags tatsächlich, schuldet der Broker dem Investor die Differenz zum Ausgangskurs. CFDs gibt es nicht bei klassischen Online-Brokern zu kaufen, sondern lediglich bei CFD-Brokern und auch nur außerbörslich.
Swaps
Bei einem Swap-Geschäft (Tauschgeschäft) vereinbaren grob gesagt zwei Parteien den Austausch von Zahlungsströmen wie beispielsweise Zinssätzen über einen festgelegten Zeitraum. Auch hier geht es darum, auf positive oder negative Preis- beziehungsweise Wertentwicklungen zu setzen.
Worin kann man mit Derivaten investieren?
Mit Derivaten lässt sich auf die Wertentwicklung unterschiedlichster Basiswerte wetten. Die wichtigsten im Überblick:
- Wertpapiere (Aktien, Anleihen oder ganze Indizes)
- Devisen (offizielle Währungen und Kryptowährungen)
- Handelsgüter (Rohstoffe wie Öl, Weizen, Kaffee oder Edelmetalle wie Gold und Silber)
Wie funktioniert ein Derivat?
Der Handel mit einem Derivat ist grob gesagt nichts anderes als eine Wette, bei der du richtig oder falsch liegen kannst. Die verschiedenen Arten von Derivaten bergen je nach Hebelwirkung des Produkts ein unterschiedlich hohes Risiko. Derivate lassen sich sowohl zur Spekulation nutzen als auch zur Absicherung vor Wertschwankungen.
Derivate zur Spekulation
Derivate geben Investoren die Möglichkeit, in ein Wertpapier oder einen Rohstoff zu investieren, ohne diesen zu besitzen. Dabei besteht die Möglichkeit, das Investment mit einem Hebel auszustatten, die Wertschwankungen also zu vervielfachen. Gewinne können sich dadurch mitunter verzehnfachen, aber eben auch den Totalverlust bringen.
Derivate mit Hebelwirkung funktionieren wie folgt: Möchtest du beispielsweise auf einen steigenden Ölpreis wetten, kannst du dir ein Derivat auf den Ölpreis kaufen. Hier musst du zunächst entscheiden, ob du auf einen steigenden Kurs setzen willst (Long) oder auf einen fallenden Ölpreis (Short). Entscheidest du dich für ein Zertifikat ohne Hebel beziehungsweise einem Hebel von x1, wird der Wert deines Derivats genauso schnell steigen oder fallen wie der Ölpreis.
Verdeutlichen wir das an einem vereinfachten Beispiel, das Gebühren oder Sicherheitsrücklagen erst einmal außen vor lässt: Angenommen, du kaufst ein Derivat für 50€, und der Ölpreis liegt bei 100€/Barrel. Kurz darauf steigt er um 5% an, ein Barrel Öl kostet jetzt 105€. Der Wert deines Derivats steigt ebenfalls um 5%, es ist jetzt 52,50€ wert - du hast 2,50€ Gewinn gemacht. Entscheidest du dich dagegen für einen Hebel von x20, wird dein Einsatz mit 20 multipliziert. Konkret bedeutet das: Obwohl du nur 50€ besitzt, investiert der Broker 1.000€ für dich (du leihst dir das Geld praktisch). Steigt nun der Preis um 5%, beträgt dein Gewinn 50€ (so viel, wie du “eigentlich” eingesetzt hast). Fällt der Preis um 5%, verlierst du 50€ und damit deinen gesamten Einsatz. Im Endeffekt bedeuten 5% Wertentwicklung für dich also eine Wertentwicklung von 100%. (5% x 20). Derivate mit Hebel maximieren also im Endeffekt die Preisschwankungen des Basiswerts, in den du investierst. Das kann gut gehen und dir reiche Gewinne verschaffen, aber eben auch den Ruin bedeuten. Verluste werden schließlich ebenfalls vervielfacht.
Risikoabsicherung (Hedging)
Nicht immer steckt Risikofreude hinter einem Derivate-Handel, sondern oftmals das genaue Gegenteil: Ein hohes Sicherheitsbedürfnis. Viele Investoren nutzen Derivate nämlich, um sich vor Kursschwankungen, Preisverfällen oder Preisexplosionen abzusichern. In der Fachsprache nennt sich diese Risikoabsicherung “Hedging” und diese wird sowohl von institutionellen wie privaten Anlegern betrieben, teilweise nutzen auch Handels- und Industrieunternehmen Hedge-Geschäfte.
Hedgegeschäfte können beispielsweise über Futures und Optionen an der Börse oder außerbörslich Over-the-Counter Märkten eingerichtet werden. Der Hintergedanke ist, sich den Preis eines bestimmten Rohstoffs oder Wertpapiers für die Zukunft zu sichern.
Sehen wir uns das anhand eines einfachen Beispiels an: Ein Weizenbauer möchte verhindern, dass er seinen Weizen Ende des Jahres für weniger verkaufen muss, weil der Preis für Weizen gesunken ist. Pro Tonne würde er gern 200€ erhalten, um seine Unkosten begleichen zu können. Er kauft sich zu diesem Zweck ein Future, welches ihm zusichert, dass der Preis seines Weizens am Ende des Jahres 200€ je Tonne betragen wird.
Seine Gegenpartei ist eine Keksfabrik, die Weizen für die Produktion ankauft. Die Firma möchte sich davor schützen, Ende des Jahres mehr als 200€ pro Tonne für den Weizen bezahlen zu müssen. Beide Parteien einigen sich also auf den festen Preis von 200€ pro Tonne Weizen zum Ende des Jahres. Je nachdem, wie sich der Preis nun entwickelt, wird einer der beiden Handelspartner am Ende des Jahres ein gutes Geschäft gemacht haben. Fällt der Preis beispielsweise, kann sich der Weizenbauer glücklich schätzen: Er hat sich mit dem Hedge-Geschäft vor genau diesem Risiko abgesichert. Die Keksfabrik dürfte sich dagegen ärgern: Sie hätte ohne das Hedge-Geschäft einen besseren Deal gemacht. Bei einem steigenden Preis wäre es genau umgekehrt: Der Bauer würde sich ärgern, weil er eigentlich mehr für die Tonne bekommen würde, während die Keksfabrik froh ist, die Preissteigerung nicht zu spüren zu bekommen.
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Auch am Devisenmarkt (Forex) nutzen Investoren Hedge-Geschäfte, um sich vor möglichen Wechselkurs-Risiken zu schützen. Das ist beispielsweise für Unternehmen relevant, die über Landesgrenzen Geschäfte machen. Angenommen, ein deutscher Pharmakonzern beliefert vor allem die USA und macht dort die meisten Umsätze. Schwächelt der Dollar im Vergleich zum Euro, bedeutet das für den Pharmakonzern Umsatzrückgänge. Um sich vor diesem Szenario zu schützen, setzt er mit einem Derivat auf den Euro und kann seine Verluste so teilweise oder vollständig ausgleichen, sollte der Dollar tatsächlich schwächeln.
Bedingte und unbedingte Termingeschäfte
Nicht jeder Kontrakt, den zwei Parteien mittels Derivat schließen, muss auch tatsächlich eingehalten werden. Man unterscheidet zwischen bedingten und unbedingten Termingeschäften.
Unbedingte Termingeschäfte
Damit gemeint sind Derivate, die in jedem Fall ausgeführt werden müssen. Beide Parteien verpflichten sich mit einem solchen Derivat zur Einhaltung des Vertrags und keiner von beiden kann vorzeitig aussteigen. Unbedingte Termingeschäfte werden zum Beispiel über Futures oder Swaps realisiert.
Ein Beispiel für ein unbedingtes Swap-Derivat: Unternehmen A bezahlt für seinen Kredit über ein Jahr einen fixen Zinssatz von 3%. Unternehmen B hat ebenfalls einen Kredit aufgenommen und bezahlt einen variablen Zinssatz. Weil Unternehmen A glaubt, dass die Zinsen demnächst sinken werden, hätte es für ein Jahr gerne die variablen Zinsen von Unternehmen B. Unternehmen B dagegen glaubt an steigende Zinsen und möchte sich lieber mit einem fixen Zinssatz absichern. So kommen die beiden ins Geschäft und tauschen ihre Zinssätze. Auch in den obigen Beispielen vom Öl- und Weizenpreis handelt es jeweils um ein unbedingtes Derivat, welches bindend ausgeführt werden muss.
Bedingte Termingeschäfte
Im Gegensatz dazu besteht bei bedingten Termingeschäften keine Pflicht zur Ausführung der Leistung. Der Inhaber des Derivats hat hierbei lediglich die Option, ist aber nicht verpflichtet, die Leistung auszuführen. Hätte der Bauer aus dem obigen Beispiel eine Option auf den Weizenpreis gekauft und würde der Marktpreis bis Ende des Jahres über die vereinbarten 200€ steigen, könnte er die Option verfallen lassen und zum höheren Preis verkaufen. Diese Wahlmöglichkeit hat aber auch ihren Preis: Um diese Option zu haben, müsste der Bauer der Keksfabrik (dem Herausgeber der Option), im Voraus eine Optionsprämie zahlen, ganz gleich, ob der Weizenbauer später davon Gebrauch machen wird oder nicht.
Die Risiken von Derivaten
Konditionen
Derivate sind sehr komplexe Finanzprodukte, deren Beschaffenheit erst einmal durchdrungen werden muss. Je nach Art des Derivats werden bei dem Termingeschäft unterschiedliche Konditionen festgelegt. Anleger sollten beispielsweise darauf achten, inwiefern sie an Verlusten beziehungsweise Gewinnen partizipieren und welche Forderungen etwa im Falle von Zertifikaten der Emittent stellen wird. Bei einigen Derivaten muss im Voraus eine Margin, also ein Sicherheitsvorschuss hinterlegt werden, der als eine Art Pfand dient. Wie viel die Gegenpartei im Falle eines Verlustes überhaupt fordern darf und wann eine Nachschusspflicht fällig wird, sollte ebenfalls genauestens studiert werden.
Kosten
Bei vielen Produkten ist nicht gleich auf den ersten Blick erkenntlich, welche Kosten genau anfallen. Broker und Banken, die Derivate herausgeben, möchten etwas an der Ausgabe von Finanzprodukten verdienen. Das tun sie beispielsweise durch einen für den Käufer ungünstigen Spread, also eine ungünstige Spanne zwischen An- und Verkaufspreis. Gerade bei kleineren Unternehmen fällt es nicht immer leicht, eine Gegenpartei für das Derivat zu gewinnen, es muss also mit höheren Spreads gerechnet werden, als würde man in einen großen ETF investieren, der zig mal in der Sekunde gehandelt wird. Speziell bei Optionen fällt außerdem grundsätzlich eine Optionsprämie an, die unterschiedlich hoch sein kann.
Totalverlust und noch viel mehr
Derivate sind höchst spekulative Anlageprodukte und viele davon können ihren Käufer bis in den finanziellen Ruin treiben. Schließlich lässt sich mit einigen Produkten wie Optionen auch mehr verlieren, als überhaupt eingesetzt wurde. Das Risiko ist also unendlich hoch und nicht, wie beim herkömmlichen Kauf einer Aktie, auf maximal 100% begrenzt.
Rollverluste und Emittentenrisiko
Einige Investoren riskieren noch auf andere Weise, Geld zu verlieren. Speziell futurebasierte Zertifikate können zum Beispiel zu Rollverlusten führen. Terminkontrakte besitzen nämlich generell Laufzeiten - bei einem langfristigen Investment wird daher stets ein “alter” gegen einen “neuen” Kontrakt eingetauscht. Dieses “Rollen” in einen neuen Vertrag kann zusätzliche Kosten für den Anleger bedeuten.
Zertifikate-Käufer riskieren außerdem, dass der Herausgeber des Finanzprodukts, also etwa eine Bank, pleite geht und das investierte Kapital in die Insolvenzmasse fließt. Dieses Schicksal ereilte in der Krise 2008/09 etliche Privatanleger, die bei der Bank Lehman Brothers Zertifikate gekauft hatten. Einlagen in Zertifikate gelten nicht wie beispielsweise Einlagen in ETFs als Sondervermögen.
Kritik
Der weltweite Derivatemarkt ist mittlerweile auf mehr als 600 Billionen Dollar angeschwollen - und damit auf das Zehnfache des weltweit erwirtschafteten Bruttosozialprodukts (BIP). Die Zahl macht deutlich, dass Derivate längst nicht mehr nur zur Risikoabsicherung, sondern vor allem als Spekulationsinstrumente benutzt werden. Es wird auf den schnellen Gewinn mit Währungen, Aktien oder Rohstoffen gewettet. Und das wiederum ruft immer wieder Kritiker auf den Plan. Denn insbesondere im Bereich der Rohstoffe kann die Bildung von Preisblasen gravierende Auswirkungen auf die reale Welt haben: Werden Agrarrohstoffe wie Weizen, Zucker und Mais künstlich durch Spekulation verteuert, kann das in ohnehin schon ärmlichen Regionen zu Hungerkatastrophen führen.
Fazit
Ob Banken, Hedgefonds oder institutionelle Investoren zurecht in Verruf stehen, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Fakt ist, dass Derivate an sich nichts anderes sind als Werkzeuge, mit denen sich verschiedene Ziele erreichen lassen. Für Unternehmer und Händler, aber auch für risikobewusste Anleger können sie eine große Hilfe sein, indem sie zusätzliche Sicherheiten ermöglichen. Wie und zu welchem Zweck Derivate eingesetzt werden, liegt in der Hand ihres Käufers, der natürlich auch damit spekulieren kann, wenn er will. Vorausgesetzt, man möchte sich auf das Risiko einlassen.