Was du über die EU-Taxonomie wissen musst

Jule Zentek
Jule Zentek
Stand: 8. August 2022
Mit der EU-Taxonomie wird es künftig eine europaweit einheitliche Klassifizierung für nachhaltige Geldanlagen geben. Da es bisher keine einheitliche Definition gibt, gestaltet sich die Suche nach nachhaltigen Investments oft nicht leicht. Die EU-Taxonomie soll dabei helfen und Anlegern mehr Orientierung geben. Wir erklären dir, was die Taxonomie eigentlich ist, wie sie funktioniert und wer von ihr betroffen ist.

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Was du wissen solltest
  • Die EU-Taxonomie ist ein EU-weit allgemeingültiges Klassifizierungsinstrument für nachhaltige Finanzprodukte und Unternehmen.
  • Sie soll zeigen, zu welchem Anteil ein Unternehmen oder Finanzprodukt „grün“ ist.
  • Wie „grün“ ein Unternehmen oder eine Geldanlage demnach ist, soll zukünftig mit einem Prozentsatz angegeben werden.
  • Die Taxonomie gilt für Unternehmen seit Januar 2022 in vereinfachter Form. Ab 2023 soll sie voll greifen.

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So gehst du vor
  • Durch die EU-Taxonomie kannst du sehen, wie viel Prozent des Umsatzes den Nachhaltigkeitskriterien entsprechen. Diese Information kannst du nutzen, wenn du eine Investitionsentscheidung triffst und damit deine Anlagestrategie ergänzen.
  • Du kannst zum Beispiel nur noch in Unternehmen und Geldanlagen investieren, die mindestens zu 30% der Taxonomie entsprechen.
  • Die Taxonomie kann auch dabei helfen, Investitionen in bestimme Branchen zu vermeiden. Zum Beispiel muss gesondert angegeben werden, ob ein Unternehmen oder eine Geldanlage in Gas oder Atomenergie investiert.

Was ist die EU-Taxonomie?

Wer schon einmal versucht hat, die Nachhaltigkeitskriterien verschiedener Anbieter miteinander zu vergleichen, weiß: Das ist nicht so einfach, denn die Kriterien sind oft intransparent und uneinheitlich – das macht Greenwashing einfach. Genau dieses Problem soll die EU-Taxonomie lösen und nachhaltiges Investieren einfacher machen.

Definition

Die Taxonomie-Verordnung ist ein EU-weites, allgemeingültiges Klassifizierungsinstrument für nachhaltige Finanzprodukte und Unternehmen. Sie soll eine klare Definition für grüne, nachhaltige oder umweltfreundliche Tätigkeiten bieten.

Dafür hat die EU-Kommission einheitliche und transparente Regeln und Grenzwerte aufgestellt, mit denen bewertet werden soll, ob ein Unternehmen nachhaltig ist oder nicht. Zum Beispiel, wie viele Emissionen pro produzierte Kilowatt-Stunde Energie noch als „nachhaltig“ gelten dürfen. Solche klaren Richtlinien gab es bisher nicht.

Die wichtigsten Ziele der Taxonomie sind:

  • Investitionen in nachhaltige Unternehmen und Kapitalanlagen erhöhen

  • Sicherheit für Investorinnen schaffen

  • Privatanleger vor Greenwashing schützen

  • Unternehmen dabei helfen, klimafreundlicher zu werden, weil klimafreundliche Tätigkeiten durch Investitionsgelder „belohnt“ werden

  • Investitionen dorthin lenken, wo sie am dringendsten benötigt werden

Die Taxonomie ist außerdem Teil des „Europäischen Green Deals“, der Wachstumsstrategie der EU. Mit ihr soll die EU unter anderem bis 2050 klimaneutral werden sowie die Natur und Biodiversität schützen. Die Taxonomie soll in diesem Rahmen dazu beitragen, die Kapitalflüsse neu auszurichten und die Wirtschaft nachhaltiger zu machen.

Seit Januar 2022 muss die Taxonomie von den betroffenen Unternehmen und Finanzinstituten angewandt werden, allerdings gilt aktuell noch eine Übergangsphase, da noch nicht alle Bewertungskriterien vorliegen. Das soll bis Januar 2023 aber der Fall sein, dann werden die Angaben prüfungspflichtig und die Berichtspflicht greift für die betroffenen Unternehmen voll.

Wie funktioniert die EU-Taxonomie?

Die Regeln, um als „nachhaltig“ zu gelten, orientieren sich an den sechs Umweltzielen der EU, diese lauten:

  1. Klimaschutz (insbesondere CO₂-Minderung)
  2. Anpassung an den Klimawandel
  3. Nachhaltiger Einsatz und Gebrauch von Wasser oder Meeresressourcen
  4. Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft
  5. Vorbeugung oder Kontrolle von Umweltverschmutzung
  6. Schutz und Wiederherstellung von Biodiversität und Ökosystemen

Laut Taxonomie darf die Tätigkeit eines Unternehmens nur als „nachhaltige Tätigkeit“ eingestuft werden, wenn:

  • die Tätigkeit einen Beitrag zu mindestens einem der Umweltziele leisten

  • und gleichzeitig keines der anderen Umweltziele verletzt bzw. signifikant schaden

Zusätzlich müssen „nachhaltige“ Unternehmen auch ein Minimum an Menschen- und Arbeitsrechten einhalten. So soll ein negativer sozialer Einfluss vermieden werden.

Bei der Bewertung, ob ein Unternehmen ein Umweltziel erfüllt oder verletzt, helfen technische Auswahlkriterien, die eine Expertengruppe entwickelt hat. Dabei geht es zum Beispiel, um festgelegte Grenzwerte für den Ausstoß von Emissionen. Die Kriterien sollen regelmäßig angepasst werden, um stets dem Stand der Technik zu entsprechen.

Das bedeutet: CO₂-intensive Branchen, wie die Stahlindustrie, sind nicht automatisch aus der Taxonomie ausgeschlossen. Im Gegenteil: Sie sind vertreten, weil man sie nicht ersetzen, aber ökologischer gestalten kann. Andere Branchen, die man durch klimafreundlichere Alternativen ersetzen kann, werden jedoch ausgenommen. Das gilt zum Beispiel für Strom aus Kohle.

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Ein Beispiel
Die Einstufung, ob ein Unternehmen oder Finanzprodukt nachhaltig ist oder nicht, ist kompliziert und hängt von vielen Faktoren ab. Hier ein Beispiel, um das Prinzip dahinter besser zu verstehen: Ein großes Thema bei Elektroautos ist die Herstellung von Batterien. Zwar verringern batteriebetriebene Autos die Emissionen im Straßenverkehr – aber auch bei der Herstellung von Batterien entstehen Emissionen. Hier bewertet die Taxonomie mithilfe von festgelegten Grenzwerten, ob der Ausstoß an Treibhausgasen (noch) nachhaltig ist oder nicht. Emittiert ein Hersteller bei der Batterieherstellung wenig, erfüllt er die Anforderungen an das erste Umweltziel.

Allerdings darf das Unternehmen nur als nachhaltig eingestuft werden, wenn es gleichzeitig keines der anderen Umweltziele verletzt. Das bedeutet: Der Wasserverbrauch des Unternehmens muss nachhaltig sein und es sollte versuchen eine Kreislaufwirtschaft zu nutzen. Außerdem muss es Umweltverschmutzung vermeiden, die Ökosysteme schützen und die Standards an Arbeits- und Menschenrechten einhalten.

Das bedeutet: Ein E-Auto-Hersteller wird laut der Taxonomie nicht automatisch als „nachhaltig“ eingestuft, weil er die klimafreundliche Alternative zum Verbrennungsmotor anbietet. Stattdessen wird anhand der Richtlinien in der Taxonomie bewertet, wie klimafreundlich die Herstellung der E-Autos tatsächlich ist.

Um herauszufinden, welche Richtlinien für verschiedene Branchen gelten, hat die EU den Taxonomie-Kompass entwickelt.

Was bedeutet die Taxonomie für Anleger?

Anleger sollen Unternehmen und Geldanlagen anhand der Taxonomie-konformen Prozentangaben vergleichen können. Die Angaben lassen sich quasi wie eine Nachhaltigkeits-Quote nutzen. Dabei zeigt ein hoher Prozentsatz an, dass ein Unternehmen (sehr) nachhaltig ist. Anbieter von Finanzprodukten zeigen damit, welcher Anteil an Investments in einem Finanzprodukt nachhaltig ist.

Damit bietet die Taxonomie einen inhaltlichen Mehrwert beim Investieren und kann zum Beispiel auch bestehende Investmentansätze ergänzen, wie z.B. Impact-Investing. 

Außerdem könnte es bald Fonds geben, die sich an den EU-weit einheitlichen Nachhaltigkeitskriterien orientieren. Zum Beispiel einen Fonds, in dem nur Unternehmen enthalten sind, die zu 20% der Taxonomie entsprechen. Investitionen in Atomenergie und Gas müssen dabei gesondert gekennzeichnet werden. Heißt: Wenn man als Anlegerin auf keinen Fall in Atomenergie oder Gas investieren will, soll man das einfach ausschließen können.

Wichtig zu wissen: Es wird zunächst wohl kaum Fonds oder ETFs geben, die auf Unternehmen im hohen zweistelligen Prozentbereich oder gar auf 100%-Taxonomie-konforme Unternehmen setzen. Denn es gibt derzeit nur wenig Assets, die zu 100% der Taxonomie entsprechen.

Wer ist betroffen von der Taxonomie?  

Grob gesagt, sind bisher drei Gruppen von der Taxonomie betroffen:

  1. Unternehmen mit über 500 Mitarbeitern, die unter die nicht-finanzielle Berichterstattung fallen
  2. Finanzinstitute und Banken, die Finanzprodukte in der EU anbieten und vertreiben (auch mit Sitz außerhalb der EU)
  3. die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten

Jedes Unternehmen, das verpflichtet ist, nicht-finanzielle Angaben zu veröffentlichen, muss Angaben zur Taxonomie offenlegen. In Deutschland zählen dazu aktuell vor allem große kapitalmarktorientierte Unternehmen aus der Realwirtschaft, sowie Finanzinstitute, Banken und Versicherungsunternehmen.

Sie müssen im Rahmen ihrer nicht-finanziellen Erklärung über die Taxonomie-Angaben berichten, zum Beispiel im Nachhaltigkeitsbericht oder im Geschäftsbericht. Dabei muss jeweils der Taxonomie-konforme Anteil des Umsatzes, der Anteil der Investitionsausgaben (CapEx) und des Betriebsaufwands (OpEx) von dem Unternehmen berichtet werden.

Das bedeutet übrigens auch, dass Unternehmen Taxonomie-relevante Informationen über ihre Zulieferer und Kunden zusammentragen müssen.

Außerdem wird erwartet, dass die Anzahl an Unternehmen, die von der Taxonomie betroffen sind, künftig stark ansteigt. Vor allem, wenn die Berichtpflicht für Unternehmen ausgeweitet werden sollte. Unternehmen ab 250 Mitarbeiterinnen müssen die Regeln beispielsweise ab 2023 anwenden.

Übrigens: Die Prüfung und Kontrolle der Offenlegungspflicht sollen durch die nationalen Aufsichtsbehörden stattfinden. In Deutschland übernimmt das die Banken- und Finanzaufsicht (BaFin). Sie hat die Prüfer-Rolle an die Wirtschaftsprüfer weitergegeben, will aber auch selbst Stichproben durchführen. Dabei geht es vor allem um Angaben, bei denen ein hohes Risiko für Greenwashing besteht. Die Prüfer sollen sich anschauen, wie plausibel diese Angaben sind – eine Vollprüfung findet nicht statt.

Was bedeutet die Taxonomie für Unternehmen?

Unternehmen werden in Zukunft einen größeren Aufwand haben, um über ihre Nachhaltigkeitsbemühungen zu berichten. Für manche Unternehmen, die zum Beispiel bereits auf klimafreundliche Prozesse gewechselt haben, kann die Taxonomie eine Chance sein, um sich von anderen abzuheben und interessanter für Investorinnen zu werden.

Deshalb wird erwartet, dass auch kleine und mittlere Unternehmen in Zukunft bereits freiwillig mehr Informationen zur eigenen Nachhaltigkeit offenlegen werden, um an Investorengelder zu gelangen.

Warum gibt es Kritik?

Es gibt einige Kritik an der Taxonomie-Verordnung, unter anderem wird die Aufnahme von Gas und Atomenergie stark kritisiert. Damit gelten Gas und Atomkraft als „grün“ – allerdings unter bestimmten Bedingungen. Laut der EU-Kommission sind Atomenergie und Gas sogenannte Brückentechnologien für den Übergang zu einer klimafreundlichen Stromversorgung. Die Kritik daran: Gas und Atomenergie sind nicht nachhaltig, sondern bringen unter anderem Klima- und Umweltrisiken und Import-Abhängigkeiten mit sich.   

Kritiker sagen, die Aufnahme macht die Taxonomie als Klassifizierung für nachhaltige Finanzen unglaubwürdig. Länder wie Österreich und Luxemburg und einige zivilgesellschaftliche Organisationen halten die Aufnahme für rechtswidrig und wollen gegen die Einstufung von Gas und Atomenergie als „grün“ klagen.

Außerdem wird kritisiert, dass die Taxonomie nur zwischen „ist nachhaltig“ und „ist nicht nachhaltig“ unterscheidet, es gibt also keine weiteren Abstufungen. Deshalb können nur Tätigkeiten bewertet werden, die heute schon als nachhaltig gelten. Das ist bei vielen Tätigkeiten und eben auch Unternehmen noch nicht so – viele sind gerade noch auf dem Weg, ihre Prozesse klima- und umweltfreundlich anzupassen.

Fazit

Die Taxonomie ist ein richtiger Schritt, um im bisherigen Wildwuchs von Nachhaltigkeitskriterien, wie zum Beispiel ESG, für mehr Einheitlichkeit und Transparenz zu sorgen. Anlegerinnen bietet sie einen Mehrwert und Orientierung bei Investitionsentscheidungen und Unternehmen bekommen dadurch den Anreiz, nachhaltiger zu werden. Nachhaltigkeit wird dadurch immer mehr zu einem Muss bei Unternehmen.

Es bleibt die Frage, wie gut die Umsetzung klappen wird und natürlich, ob die Taxonomie den gewünschten klima- und umweltpolitischen Effekt haben wird, auf den so viele hoffen.

Spannend bleibt außerdem, ob und wie die Taxonomie in Zukunft weiterentwickelt und ausdifferenziert wird.

Häufig gestellte Fragen

Was ist die EU-Taxonomie?

Wie funktioniert die Taxonomie?

Ab wann gilt die EU-Taxonomie?

Wer ist von der Taxonomie betroffen?

Wie erkenne ich, wie ein Unternehmen oder Finanzprodukt in der Taxonomie abschneidet?