Aktive ETFs: der Durchschnitt ist nicht genug
Wenn etwas die Massen begeistert, dann sind es doch überragende Leistungen, ausgezeichnete Ideen. Für Durchschnittliches dagegen hat sich noch kein Publikum zu Standing Ovations erhoben. Ganz anders in der Finanzwelt. Hier ist die Mittelmäßigkeit Trumpf, seit in den 1990ern ETFs erfunden wurden. Exchange Traded Funds kopieren bestehende Indizes und sichern ihren Anlegern dadurch stets die durchschnittliche Marktrendite zu, nicht mehr und nicht weniger. ETFs sind billig, einfach zu handhaben und erfordern keine großartigen Kenntnisse. Die drei Buchstaben stehen inzwischen als Synonym fürs Zurücklehnen und Abwarten. Fürs Investieren per Autopilot, wenn man so will. Doch inzwischen hat sich eine neue Generation der ETFs formiert, die mit der ursprünglichen Passivität nicht mehr viel zu tun hat: aktive ETFs. Sie versprechen Renditen über dem Durchschnitt bei niedrigen Kosten und hoher Liquidität. Doch verlassen sollten sich Anleger darauf nicht.
Aktive ETFs gewinnen an Marktmacht
Die Geschichte der aktiven ETFs ist nicht so jung, wie man denken würde. Die ersten Exemplare wurden schon vor knapp 15 Jahren in den USA aufgelegt, bis vor ein paar Jahren waren allerdings nur ein paar Dutzend an den Börsen zugelassen. Inzwischen listet allein die Frankfurter Börse 89 aktive ETFs, darunter auch einige breite Aktien- und Anleihefonds, vor allem aber Themen-ETFs, die Nischenmärkte abdecken. Glaubt man Branchenkennern, soll das erst der Anfang sein. Zwischen 2014 und 2021 habe sich das von aktiven ETFs verwaltete Vermögen weltweit versechsfacht, stellt der jüngste „Global ETF Survey“ der Beratungsgesellschaft PwC fest. Nach Daten von Bloomberg sollen allein in der ersten Hälfte des Jahres 2020 erstmals mehr aktive als passive ETFs aufgelegt worden sein. Immer mehr Anlageprofis wendeten sich aktiven ETFs zu, konstatierten die Vermögensverwalter von J.P. Morgan nach einer Umfrage von 2020.
Günstiger als klassische Investmentfonds
Aktive ETFs werden also beliebter. Vielleicht, weil sie wie die perfekte Symbiose zweier Welten klingen. Erst mal haben sie einiges mit den passiven Produkten gemeinsam, zum Beispiel die Liquidität: Auch ein aktiver ETF ist börsengehandelt, die Fondsanteile können also jederzeit über den Broker gekauft und verkauft werden. So viel Spielraum bieten die meisten klassischen Fonds nicht, viele können nur außerbörslich erworben und die Anteile über Umwege zurückgegeben oder verkauft werden. Aktive ETFs gleichen auch in ihrer Kostenstruktur den passiven Pendants. Die Verwaltungsgebühren bewegen sich üblicherweise zwischen 0,2 und 0,8%, teilweise liegen sie auch nur bei 0,1%. Damit sind aktive ETFs durchschnittlich zwar etwas teurer als viele passive – aber immer noch günstiger als die meisten aktiv gemanagten Fonds, für die Anleger im Jahr schon mal um die 2% Gebühren und mehr berappen müssen.
Relevant ist der „Active Share“
Aktive ETFs orientieren sich ebenfalls an einem Referenzindex. Während die passiven aber darauf abzielen, den Index so genau wie möglich abzubilden, weichen aktive ETFs bewusst davon ab. Fondsmanager nehmen zwar einen bestehenden Index als Referenz, verändern die Zusammensetzung des ETF aber teilweise eklatant. Im Hintergrund entscheiden sie etwa, welche Positionen des Index sie abbilden möchten und welche nicht, teilweise wird unterschiedlich gewichtet. Wie sehr sie dabei vom bestehenden Index abweichen, gibt zum Beispiel der sogenannte Active Share an: Liegt die Kennzahl bei 0, ist der Fonds mit der Benchmark identisch, ein Wert von 90 bedeutet, dass der Fonds zu 90% Positionen beinhaltet, die nicht im Referenzindex enthalten sind. Begrenzungen nach oben hin gibt es nicht.
Ziemlich eindrücklich zeigt das der mit Abstand größte aktive ETF der Welt, der Ark Innovation (US00214Q1040) von Star-Investorin Cathie Wood. Laut Factsheet orientiert sich der 6 Milliarden schwere Fonds am S&P 500 - zumindest auf dem Papier. Der Active Share betrug im Dezember 2022 ganze 100%, der ETF hat inhaltlich also überhaupt nichts mehr mit seinem Referenzindex gemein. Eine Zeit lang haben die Macher des Ark Innovation ein glückliches Händchen bewiesen, zwischen 2020 und 2021 legte der ETF einen Höhenflug par excellence hin – bis der Kurs bitterlich einbrach. Das hat die Bilanz zumindest teilweise ruiniert: Seit seiner Auflage Ende 2014 hat der ETF pro Jahr durchschnittlich 6,84% Rendite eingefahren, der S&P 500 kam im selben Zeitraum auf 10,41%.
Man kann an dieser Stelle auch fragen, warum Fonds wie der Ark Innovation überhaupt als ETF bezeichnet werden dürfen – wo die Produkte ihrem Referenzindex doch nicht mehr im Geringsten ähneln. Wird damit nicht das eigentliche Konzept eines ETF untergraben? Tatsächlich nicht, denn die Bezeichnung Exchange-Traded Fund bedeutet nicht mehr, als dass der Fonds an der Börse handelbar ist. Einem Index folgen muss ein ETF der Definition nach also nicht zwangsläufig.
Aktive ETFs sollen besser durch Krisen kommen
Das große Versprechen der aktiven ETFs gleicht dem konventioneller Investmentfonds. „Aktive ETFs“, so steht es etwa auf der Website der Investmentgesellschaft Franklin Templeton, „können potenziell bessere Anlageergebnisse erzielen“. Die Portfoliomanager seien in der Lage, „auf Marktereignisse zu reagieren, unterschiedliche Marktumfelder zu nutzen und auch außerhalb der ausgetretenen Pfade herkömmlicher Benchmark-Produkte zu investieren.“ Die Anlageprofis von J.P. Morgan meinen: „Statt nur die Marktrendite (Beta) zu erwirtschaften, soll ein aktiver ETF eine über der Benchmark liegende Performance (Alpha) erreichen und gleichzeitig die Eigenschaften der ETF-Struktur beibehalten.“ Auch J.P. Morgan verweist vorwiegend auf die Flexibilität in Krisenzeiten: Es sei ein entscheidender Vorteil, auf unerwartete Marktereignisse reagieren und jederzeit Wertpapiere kaufen oder verkaufen zu können. Durch „strenge Aktienanalysen“ fiele es mit der aktiven Strategie außerdem leichter, effizient in nachhaltige Aktien unter Berücksichtigung von ESG-Kriterien zu investieren. „Anstatt umstrittene Sektoren einfach auszuschließen, können aktive Manager die Nachhaltigkeit bei allen Anlageentscheidungen berücksichtigen“, heißt es in den Erklärungen auf der Website.
Bis zu 98% der aktiven Fonds underperformen
Auf schlechte Zeiten reagieren zu können, statt ungefiltert jede Krise mitzunehmen, mag zunächst wie ein Vorteil klingen. In der Realität aber gelingt es nur den wenigsten Fondsmanagern, ihre Referenzindizes wahrhaftig über mehrere Jahre in Folge zu schlagen. Das ergeben Studien seit Jahren immer wieder, unter anderem solche aus dem Hause Standard & Poor’s. Schon seit 2014 vergleicht die Ratingagentur die Performances von aktiven Fonds mit ihren Referenzindizes und kommt stets zum gleichen Ergebnis: Nur den wenigsten aktiven Fondsmanagern gelingt es, besser als der Markt zu sein. Der jüngste Befund aus dem vergangenen Sommer bildet da keine Ausnahme. Mit am schlechtesten schnitten Manager mit Fokus auf globale Investments ab: Zwischen Mitte 2012 und Mitte 2022 gelang es gerade einmal 2% der Global Equity Fonds, besser zu performen als der vergleichbare S&P Global 1200.
Dass die meisten aktiven Fonds vor allem auf lange Sicht oft kläglich versagen, liegt auch an den Kosten der Fonds. Die aufwendigen Recherchen und Analysen im Hintergrund müssen bezahlt werden, und so geben Anleger schon mal bis zu 2,5% p.a. ihres investierten Vermögens für Verwaltungskosten ab, teilweise fällt zusätzlich ein einmaliger Ausgabeaufschlag an. Aktive ETFs sind günstiger als die konventionellen aktiven Investmentfonds. Gelingt es ihnen dann vielleicht doch, den Markt zu schlagen? Immerhin teilweise. Viele aktive ETFs wurden zwar erst vor wenigen Jahren aufgelegt, weswegen sich oftmals noch keine langfristigen Analysen anstellen lassen. Einen Eindruck bekommt man trotzdem, wenn man sich durch die Factsheets der aktiven ETFs klickt. Die 3-Jahres-Renditen etwa reichen von Plus 40% bis Minus 40%. Eine der ernüchterndsten Performances hat zuletzt der VanEck Smart Home Active UCITS ETF (IE000FN81QD2) hingelegt. Seit seiner Auflage im November 2021 hat der ETF insgesamt um 39,59% an Wert verloren – und ist damit doppelt so stark abgeschmiert wie der Tech-Index Nasdaq 100.
Zumindest kurzfristig ist einigen aktiven ETFs aber auch eine Überperformance gelungen. So konnte etwa der auf europäische Aktien fokussierte Ossiam Shiller Barclays CAPE Europe Sector Value UCITS ETF 1C (EUR) seit seiner Auflage 2014 um 0,75 Prozentpunkte besser abschneiden als der MSCI Europe Net Return Index (EUR). Noch besser wäre es allerdings gewesen, den Referenzindex Shiller Barclays CAPE® Europe Sector Value Net TR Index (EUR) mithilfe eines passiven ETFs abzubilden. Seit Auflage hätte das Anlegern nach Kosten knapp 0,6% mehr Rendite eingebracht.
1 Jahr % | 5 Jahre % p.a. | Seit Auflage % p.a. | |
---|---|---|---|
Ossiam Shiller Barclays CAPE Europe Sector Value UCITS ETF 1C (EUR) | -0,83 | 7,97 | 6,89 |
Referenzindex | -0,25 | 8,54 | 7,53 |
MSCI Europe Net Return Index (EUR) | -0,15 | 5,34 | 6,14 |
Wie aber sieht es im Großen und Ganzen aus? Verschaffen aktive ETFs ihren Anlegern vielleicht finanzielle Vorteile? Dieser zentralen Frage sind unter anderem zwei Forscher der Auburn University im US-Bundesstaat Alabama nachgegangen – mit einem Ergebnis, das viele enttäuschen dürfte.
Für eine Studie von 2021 hatten die Studienautoren Jitka Hilliard und Thanh Dat Le aus dem Fachbereich Finanzen insgesamt 53 aktive und 427 passive ETFs mit verschiedenen Schwerpunkten im Zeitraum zwischen April 2008 und Dezember 2019 auf ihre Performance untersucht. Dabei haben sich Hilliard und Le nicht immer an die in den Factsheets angegebenen Benchmarks gehalten. Diese würden der eigentlichen Zusammensetzung des ETF nämlich oft nicht entsprechen, heißt es in der Einführung der Studie.
Die ernüchterndsten Renditen entdeckte die Studie in der Kategorie US Equity: Nach Kosten erzielten die aktiven ETFs jährlich 1,8 bis 2,76% weniger Rendite als die passiven Pendants. Am globalen Markt stellten sie dagegen kaum Unterschiede zwischen den Performances fest. Nicht minder interessant ist, was die Studienautoren noch herausgefunden haben: Laut Hilliard und Le sind die aktiven ETFs gar nicht so aktiv, wie sie klingen. Oftmals unterschieden sie sich nur durch einen anderen Namen von ihren Benchmarks – aber nicht inhaltlich. Das erkenne man an den Tracking Errors, also der Abweichung der Performance von der Benchmark. Hier habe es zwischen den aktiven und passiven Produkten kaum merkliche Unterschiede gegeben. Dazu passt auch das Resümee der Studie: „Kurz gesagt“, heißt es in der Zusammenfassung, „hat unsere Analyse ergeben, dass eine Investition in aktiv verwaltete ETFs keine signifikanten Vorteile bringt“.
Überrenditen sind möglich – aber unwahrscheinlich
Rein formell ist ein aktiver ETF zwar kein Widerspruch in sich, denn Exchange Traded Funds müssen der Definition nach nicht zwangsläufig passiv sein. Dennoch verbinden die meisten Anleger die Indexfonds nun mal mit einer kompromisslosen Buy-and-Hold-Strategie, die frei ist von aktiven Entscheidungen, aufwendigen Marktanalysen und kurzfristigen Spontan-Käufen. Dass die Marktmacht der passiven ETFs seit Jahren zunimmt, kommt nicht von ungefähr. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Tiefschläge und Krisen im Laufe der Zeit von selbst ausgleichen, weil auch Indizes immer wieder neu gemischt werden – und auf jede schlechte Phase bisher stets ein Aufschwung gefolgt ist. Wer also stoisch einem globalen Index folgt und sein Geld so breit wie möglich streut, holt sich ganz automatisch immer wieder die Gewinneraktien im Portfolio und hat bei einem langen Anlagehorizont beste Chancen, eine positive Rendite einzufahren. Mehr als das ist mit passiven Produkten allerdings nicht möglich. Hier möchten die aktiven ETFs ansetzen, und so viel muss man ihnen lassen: Sie besitzen ja in der Tat das Potenzial, eine Überrendite zu erzielen.
Doch gibt es, genau wie bei klassischen aktiven Fonds, keine Garantie für die suggerierten Übergewinne. Verglichen mit konventionellen Investmentfonds sind aktive ETFs zwar billiger und dazu liquide wie ein passiver ETF. Doch zu einem Wundermittel, das passiv und aktiv effizient miteinander verbindet, macht sie das längst noch nicht. Egal, ob du aktive oder passive ETFs präferierst, zum Investieren benötigst du ein Depot. Welches dabei am besten für dich geeignet ist, kannst du in unserem Depot-Vergleich herausfinden.
Kommentare (7)
G
Gerd Haufe
sagt am 10. Dezember 2023
Gibt es einen ETF-Finder mit dem Selektionskriterium aktiv/passiv?
F
Felix
sagt am 30. März 2023
Sehr guter Beitrag, vielen Dank! Wie immer, sehr spannend geschrieben und gut zusammengefasst :)
W
Walter von Entferndt
sagt am 18. März 2023
"Zwei Dinge sind unendlich -- das Universum & die menschliche Dummheit" (Einstein). Heute glaubt man zu wissen, dass er bzgl. des Universums falsch lag... Es sei ihm verziehen, denn die Physik ist wirklich vertrackt. Aber wenn BWL-Fuzzies (die normalerweise gerade mal die Arithmetik beherrschen) sich auch so weit aus dem Fenster lehnen und die Mathematik austricksen wollen, geht das natürlich voll in die Hose ;) Jedenfalls hält sich meine Schadenfreude in Grenzen.
S
Stefan
sagt am 17. Februar 2023
Cathie Wood klärt ihre Investments, wie sie selber sagt, ja auch im Gebet und der Zwiesprache mit GOTT . Falls das stimmt, dann ist Gott offenbar kein guter Investmentberater. Den S&P 500 dauerhaft unterzuperformen und dafür als Investment-Offenbarung im Internet gefeiert zu werden, muss man erst mal erreichen. Zur Erklärung: In den USA gilt vieles als besonders gottesfürchtig, was in Europa als Blasphemie oder Verehrung des goldenen Kalbes eingeschätzt würde.
K
Kucki
sagt am 17. Februar 2023
Im Prinzip sind sie doch fast mit Momentum-ETFs vergleichbar, nur dass sie vielleicht nicht ganz so träge sind wie diese...
A
Alex
sagt am 17. Februar 2023
Fühlt sich an als würden manche Fondmanager kalte Füße im anbetracht des ETF-Trends bekommen und versuchen nun durch umetikettieren ihres Geschäfts erneut unwissende Privatanleger in die Falle zu locken ;)
S
Sandra
sagt am 17. Februar 2023
genau das habe ich mir auch gedacht.. nicht das ich generell Fan von aktive-etfs bin aber trotzdem
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